Sündenfall: Roman (German Edition)
erwischt wurde. Auf diesen Gedanken war er erst gekommen, als er den undurchdringlichen Blick des Staatsdieners bei der Passkontrolle auf sich gespürt hatte. Zum Glück war ihr Plan aufgegangen. Sie hatten zwei Dutzend Levi’s an begeisterte Kunden in Moskau verkauft, und zwar für das Dreifache des Preises, den sie an den Händler gezahlt hatten. Außerdem hatte Oskar sein Versprechen gehalten und eine blitzblanke Aufnahme der Bohemian Rhapsody im Pewex-Dollarshop besorgt. Dennoch hatte Janusz sich geschworen, nie wieder so ein Risiko einzugehen. Doch schon drei Monate später hatte er einen Studienplatz in Physik an der Jangiello ń ski-Universität bekommen und sich an den ersten Protesten beteiligt – und damit war es mit den guten Vorsätzen aus und vorbei gewesen.
»Wie dem auch sei, kolego «, sprach Oskar weiter und räusperte sich. »Ich habe mir überlegt, dass du doch nach Warschau fahren und ein paar Stunden mit Bobek verbringen könntest, wenn du mit dem Detektivspiel fertig bist.«
Janusz pflückte das Etikett von seiner Bierflasche. Daran hatte er auch schon gedacht. In seiner Phantasie stand er sogar vor der gelben Wohnungstür, doch die Vorstellung, wie Marta sie öffnete und beim Anblick seiner verbeulten Visage missbilligend das Gesicht verzog, genügte, um ihm das Vorhaben zu verleiden. Ganz gleich, was er auch sagte, sie würde nicht davon abrücken, dass er wieder an der Wodkaflasche hing und betrunken in eine Prügelei verwickelt worden war.
»Ich bin hier, um zu arbeiten, nicht um Heilige Familie zu spielen«, entgegnete er. Seine Stimme war zwar ruhig, doch Oskar hörte einen warnenden Unterton heraus.
Er zögerte, entschloss sich jedoch zu einem letzten Versuch. »Mit dem Zug sind es von Danzig aus nur ein paar Stunden.«
»Hör auf zu quengeln, Oskar, du bist schließlich nicht meine Frau«, knurrte Janusz.
Oskar hielt es für ratsam, nicht weiter nachzuhaken. Wenn es um seine Familie ging, konnte Janusz ziemlich empfindlich reagieren. Laut Gosia lag das daran, dass er Schuldgefühle hatte, weil er als Vater durch Abwesenheit glänzte. Frauen hatten zwar zu 90 Prozent nichts als Müll im Kopf, doch jeder vernünftige Mann musste einräumen, dass sie bei diesem Gefühlskram normalerweise richtig lagen.
Etwa eine Stunde später und nach einigen offiziellen Trinksprüchen für Olek legten sie sich unter ein paar Decken schlafen. Janusz seufzte erleichtert auf, als er seinen Freund endlich schnarchen hörte. Denn kurz vor dem Schlafengehen hatte er einige Minuten damit verbringen müssen, ihm den Plan auszureden, Olek die letzte Ehre zu erweisen – und zwar, indem er den Sarg öffnete, um ihm eine Tüte Chips ins Jenseits mitzugeben.
SIEBZEHN
W as soll das heißen, er ist nach Polen gefahren?«
Sobald Kershaw die Frage ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, wie albern sie klang. Der Strebertyp mit der Retrobrille hätte sich nicht deutlicher ausdrücken können. Sein Nachbar Janusz Kiszka hatte gestern das Land verlassen, und zwar nur wenige Stunden, nachdem sie ihn zum Thema Justyna Kozlowska vernommen hatte.
»Ein anderer Pole hat ihn mit einem weißen Transporter abgeholt«, erklärte der Nachbar, »und zwar um etwa fünf Uhr morgens.« Er zog die Augenbrauen hoch, um zu demonstrieren, was er davon hielt.
»Woher wissen Sie, dass der Mann Pole war?«
»Weil es ein großes Geschrei gab, als Janusz in den Wagen stieg«, erwiderte der Mann stirnrunzelnd und wies in Richtung Fenster. »Ich konnte alles hören.«
»Klang es nach einem Streit?«
Er nickte. »Ich glaube, Janusz hat dem anderen Typen ordentlich den Kopf gewaschen.«
»Hat er gesagt, wann er zurückkommt?«, erkundigte sie sich und bemerkte, dass sich ein leicht panischer Unterton in ihre Stimme einschlich. Wenn Kiszka sich aus dem Staub gemacht hatte, würde Bacon ihr die Hammelbeine langziehen, weil sie ihn aufgeschreckt hatte, und zwar mit Recht: Sie hatte es übertrieben und den Mann überrumpelt.
Inzwischen machte der Nachbar ein besorgtes Gesicht. »Ich hoffe doch, bald, denn er hat mich am Abend vor der Abfahrt gebeten, ein paar Tage lang seine Katze zu füttern.«
Uff , also hatte er sich nicht endgültig verdrückt. Ihr fiel noch etwas ein – falls der Mann zu einem Drogenring gehörte, war er vielleicht nach Polen gefahren, um sich in einem der illegalen Labors, die der Bericht erwähnte, mit PMA zu versorgen.
»Eigentlich leide ich an einer ziemlich schweren Allergie gegen Katzenhaare«, sagte der
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