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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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dem Monsignore Revue passieren. Warum hatte er anfangs getan, als hätte er Ela kaum gekannt? War es die Angst vor schlechter Presse? Eine Studentin, die an einer Überdosis starb, war wohl kaum eine gute Werbung für ein theologisches College.
    Der Lageplan war eindeutig nötig, denn der Weg schlängelte sich verwirrend durch eine große private Wohnsiedlung, sodass sie sich bald völlig verlaufen hatte. Zehn oder fünfzehn Minuten später endete der Fußpfad an einem niedrigen Gebäude, das aus demselben vom Regen fleckigen Beton bestand wie das Haupthaus des Colleges. Sofort entdeckte sie das Schild »Francis House«, Elzbietas Wohnheim.
    Zimmer 209 befand sich im zweiten Stock. Der Hausmeister, ein älterer Mann, der sie schon mit einem klappernden Schlüsselbund draußen erwartete, führte sie hin, schloss auf, nahm ihren Dank mit einem wortlosen Nicken zur Kenntnis und trollte sich. Kershaw war erleichtert, denn sie wollte unbedingt die wahre Elzbieta kennenlernen, das Mädchen, das sich hinter der Doktorandin der Theologie verbarg. Und das war unmöglich, solange ihr ein Hausmeister dabei über die Schulter schaute.
    Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie vor den Fenstern bodenlange Vorhänge ausmachen. Sie zog die Latexhandschuhe an, die sie immer bei sich trug, und tastete aufgeregt nach dem Lichtschalter. Im ersten Moment geschah nichts, doch dann breitete sich der Dämmerschein einer Energiesparlampe aus.
    Im grünlichen Licht kamen genormte Möbel aus hellem Holz in Sicht, wie sie sie noch aus ihrer eigenen Collegezeit in Erinnerung hatte – ein Schreibtisch am Fenster, allerdings sonderbarerweise ohne Computer, eine Kommode und ein eins zwanzig breites Bett, groß genug für einen Quickie, jedoch nicht optimal für Übernachtungsbesuch. Nun, man will hier ja schließlich auch nicht zu Todsünden auffordern , dachte sie.
    Das Zimmer war ordentlich und die Bettwäsche frisch. Ein süßlicher Geruch von Möbelpolitur lag in der Luft. Der einzige Hinweis darauf, dass einmal jemand hier gewohnt hatte, waren einige persönliche Gegenstände auf der Kommode – ein weißes Plastikarmband mit der Aufschrift »Armut ist von gestern«, ein gerahmtes Foto, das eine Frau mittleren Alters mit grau meliertem Haar darstellte – wahrscheinlich die verstorbene Tante –, und ein Lebkuchenherz mit Zuckergussbuchstaben auf Polnisch, zweifellos gekauft auf der Konzertreise. Auch ein Blick in die Schubladen förderte nichts Aufschlussreiches zutage – Hippiesachen in gedeckten Farben, die leicht nach Maiglöckchen rochen. Kershaw wunderte sich, dass eine junge Frau von dreißig Jahren so ein Altfrauenparfüm benutzte. Eine Durchsuchung des Nachttischs förderte nur eine Bibel, einen Rosenkranz und einen eselsohrigen Liebesroman zutage.
    Kershaw setzte sich aufs Bett. Das einzige Geräusch war das gelegentliche Summen einer Fliege, die immer wieder gegen die Fensterscheibe prallte. Entweder wurde sie langsam paranoid, oder das Zimmer war tatsächlich so unpersönlich, dass es ans Unheimliche grenzte. Keine Spur von dem Tagebuch, das Timothy erwähnt hatte, keine Verhütungsmittel, überhaupt nichts von dem Krimskrams, der im modernen Leben eben so anfiel. Ganz zu schweigen von illegalen Drogen.
    Wer bist du, Elzbieta?
    Ihr Blick wanderte zur Wand am Fußende des Bettes. Im nächsten Moment fuhr sie zusammen und schlug die Hand vor den Mund. Das schummrige Licht der Energiesparlampe beschien eine kitschige mittelalterliche Darstellung von Jesus, der mit einer koketten Geste sein Gewand öffnete und ein blutendes, mit Dornen umwickeltes Herz präsentierte. Kershaw musste die lebhafte Erinnerung an Elzbietas Autopsie beiseiteschieben, die plötzlich auf sie einstürmte – die Brust aufgebrochen wie bei einem Tierkadaver.
    Bis jetzt hatte sie immer geglaubt, dass ihre Wasserleiche in einem Hotel gestorben war wie Justyna. Doch dass sämtliche persönlichen Gegenstände im Zimmer fehlten, ließ ihr die Härchen auf den Armen zu Berge stehen. Jemand hatte das Zimmer ausgeräumt und alles belastende Material entfernt, da war sie ganz sicher. Und der Fluss war sicher nur fünf, höchstens zehn Autominuten entfernt.
    Drei Schritte brachten sie zum verhängten Fenster. Als sie an der Kordel zog, teilte sich der schwere Stoff mit einem Rauschen, und Licht strömte herein. Im ersten Moment war alles in einen weißen Schein getaucht, und Kershaw blinzelte einige Male – und zwar nicht nur, weil sie

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