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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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katapultierten ihn in die Siebziger zurück.
    »Ich kenne diesen Laden!«, rief er aus. »Ich bin nach der Schule hergekommen, um mich anzustellen.« Er schüttelte den Kopf. »Meistens wusste ich gar nicht, wofür die Leute anstanden, aber wenn ich mit Toilettenpapier oder Mehl nach Hause kam, hat Mama mir einen Riegel Prince Polo gegeben.« Er richtete sich auf. Der Laden löste eine unangenehme Mischung aus Wehmut und Unbehagen in ihm aus.
    »Erinnerst du dich an die Witze, die sich die Leute in den Warteschlangen erzählt haben?«, fragte Oskar und versetzte Janusz einen Klaps auf den Arm. »Was passiert, wenn die Kommunisten die Wüste übernehmen?«
    »Am Anfang erst mal gar nichts, und dann wird der Sand knapp«, ergänzte Janusz.
    Sie grinsten einander an. Im nächsten Moment erklang das nervenzerfetzende di-ding ding ding von Oskars Mobiltelefon.
    » Cze ść … Ja, ich bin jetzt in Danzig«, rief Oskar und verdrehte die Augen in Janusz’ Richtung.
    Er warf einen Blick auf das Straßenschild. »Auf der Szeroka mit meinem Kumpel … Ja, wie ich schon sagte, ich bin in Elbl ą g, bevor der Bestatter heute Abend zumacht … okay … Tschüss.«
    Oskar klappte das Telefon zu. »Der Typ nörgelt so viel, dass ich ihn genauso gut heiraten könnte. Vielleicht will er Olek ja so schnell wie möglich unter die Erde bringen, damit er nicht zurückkommt und ihm als Geist erscheint.« Er holte tief Luft. »Aber wenn ich an die steinzeitlichen Straßen hier denke, sollte ich besser losfahren.«
    Die beiden Männer umarmten sich. Als Oskar etwa zwanzig Meter entfernt war, formte er die Hände zu einem Megafon und rief: »Und bleib mir bloß von den Strichern weg – ich pauk dich da nicht wieder raus!«
    Als Janusz zehn Minuten später aus einem Tabakladen trat, erschauderte er – die Temperaturen waren stark gefallen. Über seinem Kopf drückte ein bleigrauer Wolkenhimmel auf die Schieferdächer, und er spürte klamme Kälte in der Luft, ein Hinweis darauf, dass von der Ostsee eine Nebelbank heranzog. Er knöpfte seinen Mantel zu, sah auf die Uhr und machte sich auf den Weg zum Busbahnhof. Doch er war erst wenige Schritte weit gegangen, als er ein Prickeln im Nacken spürte.
    Bei einem beiläufigen Blick über die Schulter nahm er eine rasche Bewegung wahr, den sekundenschnellen Eindruck einer dunklen Gestalt vor dem Tabakladen, aus dem er gerade gekommen war. Er wirbelte herum und suchte den Gehweg hinter sich ab. Leer. Dann kehrte er zurück zum Laden. Niemand. Der Mann – falls es sich bei der Gestalt nicht um eine paranoide Wahnvorstellung handelte – war offenbar auf der Mariacka in Deckung gegangen, wo er und Oskar vorhin den Bernsteinschmuck gekauft hatten.
    Als er um die Ecke bog, stellte er fest, dass die vorhin belebte Mariacka auf geheimnisvolle Weise wieder in den Zustand seiner Jugend zurückversetzt worden war. Die hohen mittelalterlichen Fassaden waren dunkel und still, die Fensterläden geschlossen. Die Budenbesitzer hatten die Stände abgebaut und die Schirme mitgenommen. Janusz wurde bewusst, dass die schmale, kopfsteingepflasterte Straße nun bis auf einige Möwen, die auf halber Höhe auf dem Boden pickten, absolut verlassen dalag.
    Als Janusz die einzige Abzweigung am oberen Ende der Straße absuchte, fand er sie leer vor. Allerdings hätte es nur ein olympiareifer Sprinter geschafft, die über hundert Meter zu dem gotischen Torbogen, der zum Ufer führte, in dieser Zeit zurückzulegen. Und das hieß, dass sich sein Verfolger, so es ihn denn gab, noch auf der Mariacka herumtrieb. Die alten Steintreppen, die von den Türen hinunter zur Straße führten, waren wundervolle Verstecke – er wusste noch, wie er als Kind vorausgelaufen war, um sich dahinter zu ducken und dann herauszuspringen, damit seine Mutter einen Schreck bekam.
    Vorsichtig setzte Janusz seinen Weg fort und blickte sich ständig in beide Richtungen um. Alle seine Sinne waren angespannt, und er machte sich darauf gefasst, dass sich jeden Moment eine kauernde Gestalt aufrichten und auf ihn stürzen könnte. Inzwischen kroch der Nebel vom Fluss heran und ließ die Konturen weicher werden und alles vor Janusz’ Augen verschwimmen. Die altersnarbigen Wasserspeier oben an jeder Treppe – ein Krokodil, ein Löwe, ein gewaltiger Fisch – schienen ihn höhnisch anzustarren, als er mit hallenden Schritten die Häuser passierte. Im nächsten Moment fiel sein Blick auf einen steinernen Drachenkopf mit klaffenden Kiefern drei Häuser weiter

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