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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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was hieß, dass Janusz Ruhe vor ihm hatte.
    Er kam an einem Café am Ufer vorbei, dessen grelle Lichter sich von der dunkelblauen Ostseedämmerung abhoben. Allerdings nahm er weder die helle Beleuchtung noch die Silhouette des Mannes wahr, der, eine Kaffeetasse in der Hand, in einem davon saß. Der kräftig gebaute Mann, der einen pelzgefütterten Parka trug, stand auf, sobald Janusz außer Sichtweite war.

NEUNZEHN
    K ershaw war in Feierlaune. Sie hatte die Wasserleiche identifiziert und Bacon überredet, eine forensische Untersuchung von Elzbietas Wohnheimzimmer zu genehmigen. Bei der Kriminalpolizei bedeutete Feiern nur eines – ein richtiges Besäufnis. Da es der Abend ihres »Nicht-Rendezvous« mit Ben war, ließ sie ihr Auto vor dem Revier stehen, und sie fuhren zusammen mit der U-Bahn zur Tottenham Court Road.
    Seine Freunde entpuppten sich als ausgesprochen sympathisch und waren wie sie und Ben nach dem Studienabschluss zur Polizei gegangen. So verbrachten die vier einen vergnüglichen Abend damit, über einigen Bieren in einer gerade angesagten Bar in der Dean Street das Strafrechtssystem zu reformieren.
    Die beiden anderen verdrückten sich noch vor der Sperrstunde, weil sie angeblich am nächsten Tag früh aufstehen mussten. Kershaw stellte fest, dass sie Bens Gesellschaft genoss, und zwar nicht nur als Kumpel. Sie hatte ihn schon immer amüsant gefunden, doch nun ertappte sie sich bei völlig neuen Gedanken – Wie habe ich nur diese verträumten braunen Augen übersehen können ? –, und sie war ziemlich sicher, dass es nicht nur am Bier lag. Als Kollegen bei der Polizei hatten sie viel gemeinsam – zum Beispiel das Wissen, wie schwierig es war, eine Beziehung mit einem Zivilisten zu führen. Ben hatte ihr erzählt, er habe während seiner Ausbildung in Hendon eine Freundin gehabt, mit der er schon seit einer Ewigkeit, so etwa seitdem er fünfzehn war, zusammen gewesen sei.
    »Ich war bereit zu heiraten, für ein Haus zu sparen, Kinder zu kriegen, auf der Terrasse zu grillen, bla, bla, bla … das ganze Programm eben«, meinte Ben. Als er selbstironisch grinste, entstanden Fältchen um seine Augen. »Doch dann hat sie einen Platz an der Kunstakademie in St. Martin’s bekommen.«
    »Das ist doch die wichtigste Kunstakademie überhaupt, richtig?«, fragte Kershaw.
    »Ja, also habe ich mich unglaublich für sie gefreut«, erwiderte Ben. »Doch schon nach dem ersten Semester hat sie sich grüne Strähnen ins Haar gefärbt und mich zu jeder Demo und Aktion geschleppt, die du dir denken kannst.« Er zählte sie an den Fingern ab. »Krieg dem Krieg, Stoppt die Verwaltung, Holt euch die Straße zurück … wir haben sogar heimlich die Stadt begrünt und um drei Uhr morgens am Kreisverkehr an der A12 Stiefmütterchen gepflanzt.« Kershaw verschluckte sich, als sie den Pinot Grigio in die falsche Kehle bekam.
    »Ja, ich weiß.« Er sah sie zerknirscht an. »Ich war so paranoid, ich könnte von einer Kamera aufgenommen und rausgeschmissen werden, dass ich nur noch mit einer schwarzen Sonnenbrille rumgelaufen bin.« Er trank einen Schluck Bier. »Reine Zeitverschwendung – am Ende des zweiten Semesters ist sie nämlich zu dem Schluss gekommen, dass ich nur ein hirnloses Zahnrad in einem faschistischen Getriebe bin, und hat von mir verlangt, mich zu entscheiden: sie oder der Job.« Er zuckte die Achseln, doch es lag Trauer in seinen Augen, ehe er sich abwandte.
    »Wenigstens hat sie dich ernst genommen«, wandte Kershaw ein. »Als Frau hast du es nämlich meistens mit Männern zu tun, die ihr Bild von einer Polizistin aus Pornos haben und nur darauf warten, dass du die Uniform anziehst und ihnen Handschellen anlegst.«
    »Heißt das, du musst ihnen zuerst ihre Rechte vorlesen?«, erkundigte sich Ben mit hochgezogener Augenbraue. Sie bedachte ihn mit einem gespielt tadelnden Blick und erzählte ihm dann von einem Abend während ihrer Ausbildung zum Detective, als sie mit einem Ebenbild von George Clooney ausgegangen war – eine Anspielung, die sie natürlich unter den Tisch fallen ließ.
    »Und da lädt er mich in diese echt schicke Sushi-Bar ein, und solange wir über seinen total wichtigen Job als Banker geredet haben, also den Großteil des Abends, klappte alles wunderbar.« Sie grinsten verschwörerisch. »Doch dann hat er mich nach meiner Ausbildung gefragt.« Sie trank einen Schluck Wein.
    Wieder zog Ben die Augenbraue hoch, gespannt, was nun kommen würde. »Wir waren damals mitten in einem wirklich

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