Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)
aufgeknöpft, und der Priesterkragen war zu sehen.
«Ah.» Er blieb völlig locker. «Ja, ich dachte mir doch, dass ich Ihren Namen schon gehört habe. Waren Sie nicht auch bei der Gemeindeversammlung?»
«Aber nicht in Arbeitskleidung.»
Merrily bemühte sich, ihn nicht anzustarren. Er trug eine schwarze Fleecejacke und eine graue Hose. Sein Haar sah aus, als würde es wieder wachsen, nachdem er sich den Schädel rasiert hatte. Die Bartstoppeln waren kürzer, vielleicht zwei Tage alt, und bildeten einen bläulichen Schatten um seinen Mund, der sich nun zu einem entwaffnenden Lächeln verzog, bei dem seine auffallend weißen Zähne sichtbar wurden.
«Es war ziemlich interessant», sagte er, «wie sehr die Meinung der Leute über diese Grabung auseinanderging.»
«Gar nicht mal so sehr über die Grabung», sagte Merrily. «Es geht ja vor allem darum, was danach passiert. Ob die Steine in situ wieder aufgerichtet werden sollen.»
«Wir kamen uns vor, als wären wir in einen Familienstreit hineingeplatzt.»
«Eine ziemlich zerrüttete Familie.»
«Es gibt doch in allen Gemeinden ständig Streit. Wer war die Frau, die glaubt, die Steine wären das Einfallstor des Satans?»
«Sie führt hier die Poststelle.»
«Gehört Sie zu Ihrer Kirchengemeinde?»
«Sie kommt zur Messe, aber ich glaube, sie findet mich ein bisschen enttäuschend.»
Er lachte. Er wirkte jetzt sehr entspannt – entspannter, als Merrily sich fühlte. Von wegen Glück gehabt. Ein weißer Transporter fuhr vom Weg aus auf die Weide. Auf der Seite des Wagens war ein Cromlech-Symbol zu erkennen, und auf dem Überrollbügel stand
Capstone
.
«Also, Ihnen gefällt es hier nicht so gut, Mr. Winterson, oder?»
«Elliot. Nein, verstehen Sie mich nicht falsch … dieses Dorf ist wirklich angenehm – der Pub ist schön, und dann gibt es auch noch dieses Bistro. Es ist nur … glauben Sie, dass die Typen hier nachts alles mit Flutlicht ausleuchten?»
«Schwer zu sagen. Ich kenne mich mit Archäologie nicht besonders gut aus.»
«Ich auch nicht. Sollen wir vielleicht mal einen Rundgang machen? Sie haben doch bestimmt zehn Minuten Zeit, oder? Ich fühle mich in Gesellschaft der Dorfpfarrerin sicherer.»
Wie bitte?
Merrily fiel eine Stelle aus dem
Guckloch in den Himmel
ein.
… dieses ganze Pathos der modernen Geistlichen. Das sind doch nur armselige, ausdruckslose Schauspieler, eine altmodische Maskerade.
«Oder jedenfalls mit jemandem aus dem Ort», sagte er. «Sind Sie eigentlich meiner Frau schon begegnet?»
«Nein, aber meine Tochter.»
«Ah ja. Jane. Jane, die hier alles ins Rollen gebracht hat. Also ist Jane an allem schuld.»
Zwei Männer hoben etwas von dem Transporter, das aussah wie ein höchst komplexer Rollator.
«Sie ist achtzehn», sagte Merrily. «Sie will Archäologin werden.»
«Dann hat sie ja einen ziemlich beeindruckenden Start hingelegt. Sie hat meiner Frau von ihrer … Vision erzählt.»
«Sie klingen nicht sehr überzeugt.»
«Ihre Tochter ist», sagte er mit einem halb entschuldigenden Lächeln, «noch sehr jung.»
«Es hat aber zu der Entdeckung der vergrabenen Steine geführt.»
«Ja.» Sein Blick blieb fest. «Meine Frau hofft, dass sie eine Fotoserie für den
Independent
machen kann, wenn hier mit der Grabung angefangen wird.» Wieder lächelte er. «Ich vermute, jetzt, nachdem ich mich diesen Typen als möglichen Stachel in ihrem Fleisch vorgestellt habe, als potenziellen Störer, werden sie wohl eher gewillt sein, Lenni auf das Grabungsgelände zu lassen, um mich bei Laune zu halten. Nicht, dass ich das so geplant hätte. Kann man denn von diesen sagenhaften Steinen jetzt schon etwas sehen?»
«Mindestens einen hatten sie beinahe schon freigelegt», sagte Merrily. «Ich weiß nicht, wie groß er war, aber jetzt sieht es so aus, als hätten sie ihn wieder mit Erde bedeckt. Es liegen anscheinend noch mindestens zwei weitere hier, aber wo genau, kann ich nicht sagen.»
Sie gingen hangabwärts auf das Grabungsareal zu. Eine junge Frau maß zwischen zwei khakifarbenen Zelten eine Entfernung ab. Streifenweise war die Grassode schon entfernt worden, und zwei orangefarbene Mini-Bagger standen sich mit erhobenen Schaufeln gegenüber wie pubertierende Saurier, die sich einen Kampf liefern wollen.
«Und was machen Sie, Elliot?»
«Ich?»
«Sie haben doch dem Typ vom Fernsehen gesagt, Sie wären zum Arbeiten hier.»
«Aha.» Er grinste. «Das war eine kleine Übertreibung, muss ich zugeben. Ich befinde mich in so
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