Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

rechten Ort
    Ruht meine Seele in Frieden dort
    So endete das Traherne-Zitat auf Lucys Grabstein. Es war ein Ort der Energie, kein Ort des Todes. Jane hatte ein Foto von Lucy und eins von ihrem Grab auf die Webseite des Coleman’s-Meadow-Erhaltungsvereins gestellt, denn alles, was hier erreicht wurde, war im Grunde Lucys Verdienst.
    «Wir halten zusammen, okay?»
    Jane drückte den Grabstein noch einmal und wünschte sich Glück, dann verließ sie den Friedhof auf der anderen Seite und kam in den Obstgarten. Leys mussten benutzt werden. Jedes Mal, wenn sie auf diesem Weg ging, mit einem
Ziel
, stärkte sie ihre Verbindung zu den Ahnen und die Lebensenergie des Dorfes. Lucy hatte ihr erzählt, dass der Obstgarten die Quelle der Lebensenergie gewesen war, und die Kirche hatte in der Mitte des Obstgartens gestanden.
Was zuerst da war, kann ich nicht sagen, aber vermutlich war es der Obstgarten.
Lucy glaubte, dass es an der Stelle der Kirche früher einen vorchristlichen Schrein gegeben hatte. Als hätte sie den Schrein gespürt oder vielleicht auch die vergrabenen Megalithen auf der Coleman’s Meadow. Auf dieselbe Art hatte Jane an einem Sommerabend die Magie dieses Ortes gespürt.
    Und auch wenn der Obstgarten jetzt vernachlässigt wurde und die Bäume aussahen, als würden sie absterben, pulsierte er noch vor Lebensenergie. Dann erreichte Jane atemlos den Rand der Coleman’s Meadow, und ihre Aufregung steigerte sich noch, als sie all die Autos sah.
    Es waren vor allem Offroader und ein Transporter, auf dessen Seite
Capstone
stand. Sie parkten am Rand der Weide in einem mit orangefarbenem Absperrband markierten Areal. Sie hatten den alten Zauntritt entfernt, ebenso wie den brutalen Stacheldrahtzaun, den Pierce aufgestellt hatte, um den künftigen Bauplatz zu schützen. Nun stand dort ein weniger feindselig wirkender grüner Maschendrahtzaun mit groben Pfosten und ein offenstehendes verzinktes Gatter.
    Als sie durch den neuen Eingang kam, sah Jane, dass khakifarbene Zelte aufgestellt worden waren, und zwischen den beiden Wohnwagen, die schon seit ein paar Tagen auf der Weide standen, waren Waschgelegenheiten aufgebaut worden. Etwa ein Dutzend Leute lief herum, und sie sahen gelegentlich zu dem bedrohlich düsteren Himmel hinauf.
    Und Jane … die am Rand der Weide stand und deren Blick unwillkürlich in Richtung der dunklen, eisenzeitlichen Wälle auf dem Cole Hill gezogen wurde, erlebte einen Moment, den James Joyce und solche Typen
Epiphanie
genannt hatten.
    Als wären die bodenlangen, schweren Samtvorhänge zur Seite gezogen worden, um ihr einen Blick auf ihren nächsten, entscheidenden Lebensabschnitt freizugeben. Sie empfand pure Freude. Und sie war sich dessen vollkommen bewusst. Wie oft erlebte man so etwas wohl?
    «Du hast doch bestimmt einen Berechtigungsausweis für das Gelände, oder?»
    Der Typ, der aus dem kleineren Wohnwagen kam, war nicht viel älter als Jane. Er war drahtig, hatte sich das Haar zurückgegelt und trug Lederjeans und eine Armbinde vom Wachschutz. Er kam sehr forsch und amtsbewusst auf Jane zu, aber sie war zu high, um sich von so einem Wichtigtuer runterziehen zu lassen.
    «Berechtigungsausweis? Hör mal, ich
wohne
hier. Was für ein …»
    «Hey! Immer mit der Ruhe! Ich wurde nur angewiesen, das Gesindel draußen zu halten.»
    «Sehe ich nach Gesindel aus?»
    «Weiß ich nicht. Bleib da stehen.» Er kam näher, und der penetrante Geruch seines Aftershaves erreichte Jane. «Hmm.» Er musterte sie nachdenklich und grinste dann breit. «Du könntest mich ja bestechen. Was hast du heute Abend vor?»
    «Sie macht ihren Kindern das Abendessen, was denkst du denn?», sagte ein Typ im Anzug. «Mann, sie macht vermutlich ihre Schulaufgaben, Gregory. Verzieh dich, du sexgeiler Prolet.»
    Der Wichtigtuer trat zurück, setzte eine starre Miene auf, legte die Hand an die Mütze und sagte: «Ganz wie Sie wünschen, Mr. Blore, Sir.»
    «
Professor
Blore, du kleiner Wichser.»
    Der Wichtigtuer grinste, und Jane trat hastig einen Schritt zurück, als sich der Mann im Anzug umdrehte, um sie unter die Lupe zu nehmen. Und …
Wow
… er war es wirklich. Sie hatte ihn mit Anzug und Krawatte und der ordentlichen Frisur nicht erkannt. Außerdem klang seine Stimme voller und tiefer als im Fernsehen, eine Stimme, die aus der Erde aufzusteigen schien.
    Jetzt sah sie, dass Coops bei ihm war. Er wirkte jung, zart und schmächtig neben dem ziemlich großen Bill Blore, dessen Körperbau einen an den Hadrianswall