Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
Djeseru-Sutechs hinwegsetzen und darauf bestehen, was in ihrer Welt üblich war?
Theas Worte an Bord der Windsbraut kamen ihr in den Sinn. Die Haare einer Frau sind voller Macht, hatte sie gesagt und dabei ihre rote Mähne geschüttelt. Macht … Anuket hatte Lenas Anhänger als ein lange verschollenes Schmuckstück erkannt. Seine einstige Trägerin war eine Urahnin von Sethemhat und möglicherweise auch von Philip. Und sie hatte blondes Haar gehabt. Sethemhat wollte, dass sie und ihre Gefährten ihr Leben lang in Djeseru-Sutech bleiben sollten. Natürlich war das ausgeschlossen, aber möglicherweise konnte es nicht schaden, auf ihre Verbundenheit zu Djeseru-Sutech hinzuweisen – Philip als Nachfahre, sie als Erbin der alten Herrscherin. Vielleicht wäre es nützlich, die Ähnlichkeit zu betonen und das Haar ebenso offen zu tragen wie den goldenen Anhänger der Isis.
»Kann ich das Badetuch haben?«, bat sie Anuket, und das Mädchen reichte es ihr. Lena stieg aus dem Wasser und hüllte sich in den weichen Stoff ein. Dann warf sie einen Blick auf die Kleidung, die Anuket ihr gebracht hatte. Es war eine Tunika, wie sie alle Frauen in dieser Stadt trugen. Ärmellos und lediglich bis zu den Knien reichend. Lena schluckte. Bei aller Liebe zur Anpassung, dachte sie, aber das geht entschieden zu weit. So konnte sie sich doch nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Und schon gar nicht vor den Waffenknechten und vor Bertram.
»Das ziehe ich nicht an!«
»Warum nicht?«
»Weil … weil es nicht schicklich ist. Ich kann doch nicht so viel Bein zeigen. Und die Schultern sollten auch … bedeckt sein.«
Die junge Ägypterin machte große Augen, doch dann nickte sie. »Ich suche dir etwas Passendes heraus«, versprach sie und ging. Lena hüllte sich noch fester in ihr Badetuch, setzte sich auf die hölzerne Bank und rieb das nasse Haar mit einem zweiten Tuch trocken.
Nachdem Anuket zurückgekehrt war, überreichte sie Lena ein bodenlanges weißes Gewand mit weiten Ärmeln, die bis zu den Ellbogen reichten.
»Entspricht dies eher deinen Wünschen?«, fragte sie beinahe schüchtern.
»Ich danke dir.« Lena schenkte Anuket ein dankbares Lächeln. Dann zog sie das Kleid an und schnürte es an der Taille mit ihrem Gürtel, an dem noch immer die kleine Tasche mit der Karte hing, die sie nach Djeseru-Sutech begleitet hatte.
»Ich habe dir auch ein Paar Sandalen mitgebracht.« Anuket wies auf die dünnen Sohlen mit den zarten Riemchen, die neben der Bank lagen. Lena schlüpfte hinein. Zwischen der großen und der zweiten Zehe befand sich ein Steg. Das ungewohnte Schuhwerk fühlte sich anfangs eher unangenehm an, doch dann beschloss Lena, die Sandalen dennoch zu tragen. Sie wollte die hilfsbereite Anuket nicht schon wieder vor den Kopf stoßen.
Immerhin entsprach das Kleid ihrer Vorstellung von Schicklichkeit, auch wenn ihr Kopf unbedeckt blieb. Sie zog den Anhänger der Isis über das Gewand, damit er sofort zu erkennen war.
»Möchtest du dich zur Ruhe begeben?«, fragte Anuket.
Erstaunlicherweise hatte das Bad Lenas Müdigkeit fortgespült. An Schlaf war nicht zu denken.
»Noch nicht, ich möchte erst nach Philip sehen. Aber ich freue mich, wenn du dich ein wenig erholst und mir später wieder beistehst.«
»Ich habe dir versprochen, so lange zu wachen, wie auch du wachst.«
»Und wenn ich dich von diesem Versprechen entbinde?«
»Befiehlst du es?«
Lena hob die Brauen. Hatte sie Anuket tatsächlich etwas zu befehlen?
»Ja, ich möchte, dass du dich ausruhst. Bitte!«, fügte sie nach kurzer Pause hinzu.
»Wenn du es wünschst.« Das Mädchen verneigte sich leicht. »Ich bin um die Mittagszeit zurück.«
Auf dem Weg zu Philip begegnete Lena der Räuberin.
»Oh, Gräfin Helena zeigt ihr Haar? Ist das schicklich?«
»Schicklicher als das Bein, das du zur Schau trägst«, antwortete Lena mit Blick auf Theas kurze Tunika.
»Das Kleid steht mir gut, nicht wahr?« Thea lächelte und drehte sich um sich selbst. »Immerhin verhüllt es den Busen. Wusstest du, dass es unter den hiesigen jungen Frauen beliebt ist, eine Brust zu entblößen? Diese Gewänder sind geradezu dafür geschaffen, Männer um den Verstand zu bringen.«
»Das ist dir bislang in jeder Aufmachung gelungen«, bemerkte Lena.
Thea lachte. »Aber das ist noch nichts im Vergleich dazu, wie sich Witold und Rupert den Gegebenheiten angepasst haben. Der Einzige, der sich schamvoll zurückhält, ist Philips kleiner Knappe. Ach ja, und Said, der natürlich
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