Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
bereits tot. Khalil hatte sie im Streit die Treppe hinuntergestoßen. Da war er gerade sechzehn Jahre alt. Kadir wusste nicht ein noch aus. Khalil war immer noch sein Sohn, aber auch der Mörder seiner Mutter. Und so wies er ihn aus dem Haus, drohte ihm mit dem Tod, sollte er ihm jemals wieder unter die Augen treten.«
»Und was unternahmst du als Onkel?«
»Ich lebte in einem anderen Haus, wusste lange nicht, was Zipora durchlitt. Erst als es zu spät war. Und da gab ich Kadir recht. Kadir sah seinen Sohn nie wieder. Ich schon. Vor einem Jahr.«
»Sitzt du seither im Kerker?«
Abram nickte.
»Aber warum? Was wirft man dir vor?«
»Ich weiß es nicht. Angeblich gab es einen Erlass des Sultans, der meine Festnahme zur Folge hatte. Man zeigte mir ein von ihm gesiegeltes Pergament, das war alles.« Abram lehnte sich gegen die Kerkerwand und schloss die Augen. Vermutlich hatte er an diesem Tag mehr gesprochen als im ganzen vergangenen Jahr. Philip senkte den Kopf und dachte an Said. Said … War er wirklich tot? Nein, das konnte nicht sein. Wäre er tot gewesen, hätte es eine Leiche gegeben. Aber Abd al-Hisâb hatte behauptet, er habe ihn in den Nil geworfen. Warum? Weil Said noch lebte? Die Ungewissheit war das Schlimmste …
Auch Said kämpfte mit der Ungewissheit. Nachdem Khalil ihm sein Ende in grässlichsten Farben ausgemalt hatte, hatten sie ihn allein gelassen. Stundenlang verharrte er in der Haltung, in der man ihn an den Deckenbalken gefesselt hatte. Seine Füße waren frei, doch das brachte kaum Erleichterung. Er spürte, wie sie ihm allmählich den Dienst versagten. Jedes Mal, wenn er die Füße zu entlasten versuchte, schnitten ihm die Fesseln in die Handgelenke. Seine Finger waren längst taub, sie drohten ihm abzusterben, und er bewegte sie, bis sie kribbelten. Dazu kam der Schmerz, den die Peitschenhiebe auf seinem Rücken hinterlassen hatten. Jede Bewegung peinigte ihn, riss die feine Blutkruste auf, die sich über den Striemen gebildet hatte. Und dabei war dies erst der Anfang. Was waren schon zehn Hiebe? Dennoch hatten sie ihm alle Selbstbeherrschung abverlangt. Wie gut, dass Khalil nichts von ihm wissen, ihn nur quälen wollte. Wie lange hätte er noch schweigen können, wenn es um ein echtes Geheimnis gegangen wäre?
Und wenn er doch ahnte, dass sie in Djeseru-Sutech gewesen waren? Der Gedanke erschreckte Said. Khalil durfte die Stadt niemals entdecken. Aber wieso sollte er glauben, sie seien dort gewesen? Nur weil sie zwei Monate fort gewesen waren? Wenn Said das Hinken des Schakals richtig deutete, hatte er selbst sich erst vor Kurzem von der Wunde erholt, die Thea ihm zugefügt hatte.
Ich könnte lügen, dachte Said. Ihm erzählen, die Sethi hätten uns am Brunnen gefunden und bei sich aufgenommen. Wenn sich Wahrheit mit Lüge mischt, wird die Geschichte glaubhaft. Djeseru-Sutech ist nur ein Mythos.
Die Luke über ihm knarrte. Said zuckte zusammen, seine Hände ballten sich zu Fäusten. Hätte er die Kraft, Khalil weiterhin zu widerstehen?
Es war nicht Khalil, es waren die beiden Männer, die ihn zuvor aus dem kleinen Verschlag gezerrt hatten. Sie starrten ihn grinsend an, dann lösten sie seine Fesseln vom Deckenbalken.
»Der Herr will, dass du ihm noch ein Weilchen erhalten bleibst«, höhnte einer der beiden. Sie brachten ihn zurück in die winzige Zelle. Mit ungefesselten Händen. War dies wieder ein falsches Spiel von Khalil, um seine Hoffnung zu nähren und sie danach umso grausamer zu zerschlagen? Oder eine winzige Möglichkeit, ihm doch noch zu entkommen? Aber noch nicht. Er war in viel zu schlechter körperlicher Verfassung. Er brauchte Ruhe, musste Kräfte sammeln. Niemals zuvor war ihm ein einfacher Holzboden verlockender vorgekommen als das weichste Bett.
55. Kapitel
A ls Ersten suchen wir Emad auf«, sagte Sethemhat zu Thea. Es war bereits kurz nach Mitternacht und kostete sie einige Kupferstücke, damit die Wächter ihnen das Stadttor von Alexandria öffneten.
»Wird Emad uns so spät noch einlassen?«, fragte Thea.
»Selbstverständlich.« Im Halbdunkel sah sie Sethemhat lächeln. »Er ist einer von uns. Wir haben in vielen Orten Angehörige unseres Volkes angesiedelt. Sie versorgen uns mit Nachrichten und bahnen die Handelsbeziehungen zu den Sethi an, damit wir unbemerkt Waren nach Djeseru-Sutech liefern können.«
»Ich wundere mich immer wieder, wie wenig ich über dich und dein Volk weiß.«
»Unser Volk.« Über den Sattel hinweg griff er nach
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