Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
nur uns beide etwas an.«
»Wie ergreifend!« Khalil lachte. »Nun, dann wollen wir sehen, ob dieser Christ genauso schreit wie Constantin.«
57. Kapitel
E s war ein Schrei, den Lena niemals mehr vergessen sollte. Sie wusste nicht, wer ihn ausgestoßen, wer sie auf diese Weise geweckt hatte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber ihr roter Schein erhob sich bereits über dem Horizont. Rasch warf Lena ihren Umhang über und rannte nach draußen. Vor dem Tor hatten sich mehrere Bewohner des Gutes versammelt. Sie hielten Lampen und Fackeln in Händen, hatten sich um ein Bündel am Boden geschart.
»Geht nicht weiter, Frau Helena!« Witold stellte sich ihr in den Weg.
»Was gibt es? Wer hat so laut geschrien?«
Witold schluckte. »Guntram ist tot. Die Mörder haben seinen Leichnam vors Tor geworfen.«
»Guntram?«, rief Lena. »Wieso Guntram? Wer … wie konnte das …« Sie wollte an Witold vorbeieilen, doch er hielt sie fest.
»Er wurde so entsetzlich zugerichtet wie Constantin. Erspart Euch den Anblick! Er ist grauenvoll.«
»Nein!«, schrie Lena. »Nein, nicht Guntram!«
Hinter ihr erschien Sophia, totenbleich. »Guntram?«, flüsterte sie. Tränen rannen ihr über die Wangen. »O Gott, warum nur?«
Lena nahm ihre Schwägerin in die Arme, drückte sie an sich. Sie wollte nicht nur trösten, sondern auch selbst Trost erfahren in diesem immerwährenden Albtraum, aus dem es kein Erwachen zu geben schien.
Die Diener bedeckten Guntrams verstümmelten Leib mit Leinentüchern und trugen ihn ins Haus. Ein Bote eilte davon, um Ritter Heinrich die Schreckensmeldung zu überbringen. Meret war ebenso bleich wie ihre Tochter, Mikhail indes zu einem gebrechlichen Greis geworden.
»Wir müssen die Stadtwache über den Mord in Kenntnis setzen«, murmelte er mit schwacher Stimme. »Auch wenn sie vermutlich nicht viel unternehmen wird.«
In das Wehklagen und Seufzen mischten sich auf einmal andere Laute. Hufschläge. Lena ließ Sophia los und blickte den Ankömmlingen entgegen.
»Thea!«, rief sie, als sie die ehemalige Räuberin in Begleitung Sethemhats erkannte. »Wir warten schon seit gestern auf euch.«
Die beiden stiegen von den Pferden.
»Wir waren nicht untätig und wollten auch früher kommen«, erklärte Sethemhat. »Aber wir mussten uns erst ganz sicher sein, dass Rami ben Azmi auf unserer Seite steht.«
Theas Blick fiel auf die blutige Schwelle. »Wer war es diesmal?«
»Guntram«, flüsterte Lena. »Er wurde so zugerichtet wie Constantin.«
»Guntram!« Zum ersten Mal geriet Theas unerschütterliche Haltung, die Lena stets bewundert hatte, beträchtlich ins Wanken. »Wann habt ihr ihn zum letzten Mal lebend gesehen?«
»Gestern. Sein Vater sagt, er habe den Läufen des Nildeltas folgen und nicht eher zurückkehren wollen, bis er die Barke gefunden hätte.«
»Wie es aussieht, hat er sie gefunden«, zischte Thea. »Weiß jemand, welchen Weg er einschlug?«
Die Antwort bekamen sie kurz darauf, als Ritter Heinrich eintraf. Lena sah das Flackern seiner Seelenflamme. Guntram war sein einziger Sohn gewesen, die Hoffnung seiner Zukunft. Ihn tot zu sehen, auf diese grauenvolle Weise, war mehr, als er ertragen konnte.
»Die Gefährten trennten sich bei den drei Flussarmen«, berichtete er, und seiner Stimme war anzuhören, wie verzweifelt er um Fassung rang. »Guntram folgte dem linken Flussarm.«
»Dann ankert die Barke dort!«, rief Thea. »Ich breche sogleich auf.«
»Ich begleite dich«, entschied Heinrich. »Selbst wenn wir Said nicht finden, so stoßen wir doch auf Guntrams Mörder.«
»Und was wirst du tun?« Thea warf Sethemhat einen Blick zu.
»Rami ben Azmi versprach, am heutigen Tag das Haus des Abd al-Hisâb zu durchsuchen«, antwortete er. »Ich will sichergehen, dass er sein Wort hält.«
»Tu das! Mit dem Schakal werde ich allein fertig.«
»Ich weiß, meine Löwin.«
»Wie kann ich euch helfen?«, fragte Lena. Ihre Gedanken ordneten sich nur langsam. Zu groß war das Entsetzen über Guntrams Tod.
Sethemhat legte ihr die Hände auf die Schultern. »Bitte darum, Philip im Kerker besuchen zu dürfen!«
»Man hat mich schon einmal fortgeschickt.«
»Diesmal gewährt man dir Zutritt, dafür hat Rami ben Azmi gesorgt. Philip braucht frische Kleidung, wenn er sich vor dem Gericht des Emirs verantworten muss. Wir werden derweil alles Menschenmögliche tun, um einen Freispruch zu erreichen.«
»Der Tag des Gerichtes ist erst morgen.«
»Wenn wir in Abd al-Hisâbs Haus
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