Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
trennen würden. Sie hatten ihr ganzes Leben miteinander geteilt, waren gemeinsam zu Männern geworden, hatten zusammen die Welt bereist. Sie waren wie die beiden Seiten einer Münze. Doch das sollte schon bald der Vergangenheit angehören. Und ihre Ankunft in Alexandria läutete das Ende ihrer Unzertrennlichkeit ein.
Philip atmete tief durch. Niemals hätte er gedacht, dass er mit so vielen Sorgen im Gepäck zurückkehren würde. Bertram, Thea, die bevorstehende Trennung von Said …
Lena fühlte sich wie benommen von den zahllosen Eindrücken, die im Hafen auf sie einstürmten. Zudem war es heiß geworden. In Marbilha und Ragusa hatte sie das Wetter an die Sommertage im Harz erinnert. Hier in Alexandria hingegen empfand sie die Luft als drückend, fast so, als hinge ein Gewitter über der Stadt. Dabei war der Himmel strahlend blau. Die Sonne brannte erbarmungslos auf sie herab, trieb ihr den Schweiß aus jeder Pore. War sie die Einzige, der es so erging? Sie wandte den Blick zu Thea hinüber. Die Räuberin strich sich eine feuchte Haarsträhne aus der schweißnassen Stirn. Ihr Nasenrücken war stark gerötet. Aber nicht nur Thea hatte sich in den letzten Tagen an Bord einen Sonnenbrand zugezogen. Auch Lena hatte die Kraft der Sonne zu spüren bekommen. Nicht im Gesicht, sondern im Nacken. Mit einem Gebände wäre sie geschützt gewesen, aber die Haube und ihr Kleid hatten diesen Teil der Haut unbedeckt gelassen. Auch der blonde Witold trug ein verbranntes Gesicht zur Schau, während Rupert und Bertram erstaunlicherweise verschont geblieben waren, von Philip und Said gar nicht zu reden. Suchte die Sonne sich gern hellhaarige Opfer? Wobei Lena sich ziemlich sicher war, weshalb Bertram noch immer so blass war. Der Junge hatte sich fast nur unter Deck aufgehalten. Als müsse er sich für seine Schuld selbst kasteien. Immer wieder hatte sie versucht, mit ihm zu sprechen, herauszufinden, was ihn quälte. Doch mehr als das Geständnis, zu dem sie ihn am Morgen bewegt hatte, war ihm nicht zu entlocken gewesen.
Das Anlegemanöver riss Lena aus ihren Betrachtungen. Die Al-Kabîr wurde am Kai vertäut, der Landesteg ausgefahren. Witold und Rupert gingen unter Deck, um die Pferde mit dem Gepäck zu beladen und an Land zu führen.
»Ist es weit bis zum Hause deines Großvaters?« Lena warf Philip einen fragenden Blick zu. Der schüttelte den Kopf. »Nur einige Straßenzüge, gerade so weit, dass wir dem Lärm und Gestank des Hafens entkommen.«
»Wie mag deine Familie mich wohl aufnehmen?«
»Mit offenen Armen.« Er lächelte sie liebevoll an. »Mehr Sorgen mache ich mir darum, wie ich ihnen Thea vorstellen soll …«
Lena wandte sich zu der Räuberin um. Sie stand am Heck des Schiffes.
»Sie geht dir aus dem Weg, seit du sie wegen Bertram zur Rede gestellt hast.«
»Wenn es nur das wäre. Ich fürchte, ich habe mir endgültig ihre Feindschaft zugezogen.«
»Vielleicht solltest du mit ihr sprechen.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil … ach, reden wir später darüber!«
Das Haus von Philips Familie befand sich wie erwähnt in der Nähe des Hafens. Es war ein seltsames Anwesen, in dem sich verschiedene Stilrichtungen mischten. Von der Straße aus wirkte es wie eine Festung, denn eine hohe Mauer aus hellem Sandstein umgab das Grundstück. Allerdings stand das zweiflügelige Tor weit offen. Nachdem sie das Gut betreten hatten, fiel Lenas Blick auf das Wohnhaus. Es besaß einen großen Vorbau, getragen von sechs marmornen Säulen, zu denen sieben Stufen emporführten. Am Giebel waren halb verwitterte lateinische Inschriften zu erkennen. Philip hatte ihr erzählt, dass das Haus seines Großvaters in römischer Zeit errichtet worden war. Waren diese Säulen wirklich mehr als tausend Jahre alt? Allerdings schien nur das Portal aus jener Zeit zu stammen. Das Gebäude dahinter erinnerte an die prächtigen Häuser, die sie in Marbilha gesehen hatte. In die hölzernen Fenster waren zahlreiche Ornamente eingeschnitzt, sodass die Bewohner von drinnen nach draußen sehen konnten, während kein ungebetener Blick ins Innere zu dringen vermochte.
Das Wohnhaus lag inmitten eines großen Gartens, in dem ein Springbrunnen sprudelte. Ringsum standen Bäume, an denen noch unreife Früchte hingen, die Lena nicht kannte. Dahinter entdeckte sie Stallungen und die große Reitbahn, von der Philip ihr erzählt hatte. Die schlichte Mauer, die Mikhails Gut schützte, verbarg ein kleines Paradies. Kein Wunder, dass Philip im vergangenen
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