Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
würdet mich verachten, Frau Helena.«
Für einen Augenblick schweiften ihre Gedanken zurück zu einem anderen Ort, in eine andere Zeit, zu einem anderen Mann. Philip hatte fast dieselben Worte gebraucht wie Bertram. Geglaubt, sie werde ihn verachten, wenn sie erführe, was er getan hatte. Und doch war gerade dies der Beginn ihrer großen Liebe gewesen. Damals, unter den Kirschbäumen. Sein Vertrauen, sich ihr völlig auszuliefern, hatte sie stärker für ihn eingenommen als alles zuvor gemeinsam Erlebte.
»Ganz gleich, was deine Seele belasten mag, niemals würde ich dich dafür verachten.«
Trotz dieser Zusicherung zögerte Bertram. Lena sah deutlich, wie er mit sich rang. Wie er darum kämpfte, Worte für etwas Unsagbares zu finden. Genau wie Philip damals. Eine warme Welle der Zuneigung durchströmte sie, und sie ergriff Bertrams Hände. Er ließ es geschehen, auch wenn er sie ihr wohl am liebsten entzogen hätte.
»Welche Schuld hast du auf dich geladen?«
Es dauerte eine ganze Weile, bis Bertram den Blick hob.
»Habt Ihr schon einmal jemandem im Zorn etwas Böses gewünscht, Frau Helena?« Er sah sie unsicher an.
»Das hat wohl jeder schon einmal.«
»Aber es ist nicht eingetreten, oder?«
»Nein.«
»Bei mir ist es anders. Wenn ich jemandem Böses wünsche, wird es wahr.«
Lena erschrak. Der Knappe schien von der Wahrheit seiner Worte vollkommen überzeugt. So sehr, dass Lena selbst unsicher wurde. Sollte es so etwas tatsächlich geben? Oder spielte sich diese Vorstellung nur in Bertrams Kopf ab?
»Wem hast du Böses gewünscht? Thea?«
Nachdrücklich schüttelte er den Kopf. »Nein, niemals. Ich war ja der Sünder.«
»Wem dann?«
Bertram atmete tief durch. Setzte an, versuchte zu sprechen. Stockte. Holte erneut Luft.
»Es ist meine Schuld, dass …« Er würgte so sehr an den Worten, dass Lena schon befürchtete, er werde sich übergeben. » … dass Ritter Hermann der Schlag traf. Ich habe ihn verflucht. Habe gesagt, ihn solle der Schlag treffen. Und dann ist es geschehen.« Er entzog Lena die Hände und stürzte an Deck. Sie eilte ihm nach, argwöhnte schon das Schlimmste, doch er versuchte nicht, sich ins Meer zu stürzen, sondern klammerte sich an der Reling fest und übergab sich lautstark.
»Seekrankheit ist etwas Schlimmes«, hörte sie Thea sagen. »Vor allem, wenn das Schiff noch im Hafen liegt.«
»Halt doch einfach den Mund!«, fuhr Lena die Räuberin an.
»Ach, keine Seekrankheit? Was dann? Gewöhnlich werden ehemalige Jungfrauen frühestens zwei Monate nach einem gewissen Ereignis von Übelkeit befallen.« Thea lächelte böse. »Jedenfalls jene, die nicht mit Unfruchtbarkeit geschlagen sind. Ein Leiden, das unter Gräfinnen häufig vorkommen soll. Das erzählt man sich so …«
Lena fuhr herum. »So, das erzählt man sich so! Nun, dann solltest du wissen, dass das Märchen sind, die manche Grafen und deren kleine Brüder, vor allem wenn sie Regenstein heißen, gern rothaarigen Schlampen erzählen, damit die sich mit ihnen im Heu wälzen und sie das Geld für eine ehrbare Hure sparen!«
»Oh, da ist jemand wütend geworden!« Thea verzog den Mund, dennoch entging Lena das kurze Flackern ihrer Seelenflamme nicht. Sie hatte die Räuberin an einer empfindlichen Stelle getroffen.
Bertram ließ die Reling los. Seine Züge waren bleich wie Kalk, die Augen leer. Wortlos hastete er unter Deck.
Philip war von dem heftigen Wortwechsel angelockt worden. Als Thea ihn sah, wandte sie sich um und ging zum anderen Ende des Schiffes.
»Was ist geschehen?«, fragte er Lena.
»Ach, nichts.«
»Deine neuerliche Ausdrucksweise versetzt mich immer wieder in Erstaunen.« Obwohl Philip sie dabei liebevoll anlächelte, verrauchte Lenas Ärger nicht. War es ihr so deutlich anzusehen, wie sehr sie sich nach einem eigenen Kind sehnte? Thea hatte es jedenfalls von Anfang an bemerkt. Dabei gab es eigentlich keinen Grund, mit dem Schicksal zu hadern. Sie hatte einen kleinen Sohn, auch wenn sie ihm nicht selbst das Leben geschenkt hatte. Bei dem Gedanken an ihren Ziehsohn Rudolf wurde ihr das Herz schwer. Wie gern hätte sie ihn mitgenommen. Aber Philip hatte sich dagegen ausgesprochen, und wenn sie sich alle Beschwernisse vergegenwärtigte, mit denen sie zu kämpfen hatten, fand sie die Entscheidung richtig. Für ein knapp zweijähriges Kind wäre die Reise eine unzumutbare Strapaze gewesen.
»Willst du es mir nicht sagen?« Er zog sie an sich. »Was ist mit dir, Lena?«
»Kannst du es dir
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