Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
Winter so oft mit Heimweh zu kämpfen gehabt hatte. In dieser Welt konnte sich wohl niemand das winterliche Leben in einer Harzer Burg vorstellen. Wenn einem der Atem gefror, obwohl Kamin und Kohlebecken tagaus, tagein befeuert wurden. Wenn der Schnee alles unter seiner Last begrub und die Zehen selbst in dicken Stiefeln vor Kälte ganz taub wurden.
»Herr Philip!« Ein alter Mann, der in der Nähe des Springbrunnens ein Blumenbeet geharkt hatte, war als Erster auf die Ankömmlinge aufmerksam geworden. »Ihr seid zurück!«
»Cyril!«, rief Philip. »Du hast hier schon geharkt, als wir aufgebrochen sind. Bist du immer noch nicht fertig?«
Der Alte lachte. Seine Rufe und das Gelächter hatten die anderen Bewohner des Anwesens aufmerksam gemacht. Lena sah, wie mehrere Menschen aus dem Haus kamen. Vorneweg ein junges Mädchen, das sein langes schwarzes Haar offen trug. Sie stürmte auf Philip zu. Lena fiel sofort die Ähnlichkeit zwischen den beiden ins Auge. Das Mädchen hatte die gleiche Nase, den gleichen Bogen des Mundes wie Philip. Nur ihre Augen waren im Gegensatz zu seinen strahlend blau. So blau, wie man es den Birkenfelder Grafen einst nachgesagt hatte.
»Philip!«, rief sie und fiel ihrem Bruder um den Hals.
»Sophia!« Er fasste seine Schwester um die Taille und schwenkte sie durch die Luft, als wäre sie ein kleines Mädchen und keine junge Frau von achtzehn Jahren.
Inzwischen waren auch die anderen Bewohner herbeigeeilt. Philip ließ Sophia los, um die Umarmung einer zweiten Frau zu empfangen. Sie war etwa Mitte vierzig und um einiges kleiner als Philip. Während sie ihn an sich drückte, redete sie ununterbrochen auf Arabisch auf ihn ein, so schnell, dass Lena nur die Worte Mein Sohn! Mein lieber Sohn verstehen konnte, die sie fortwährend wiederholte. Es schien, als wolle sie ihn gar nicht mehr loslassen, bis der weißbärtige Mann, der neben ihr stand, sie sacht an der Schulter berührte. Erst da ließ sie von Philip ab. Sophia hatte die Zeit genutzt, war neben Said getreten und wechselte leise Worte mit ihm.
»Du bist zurück«, sagte der alte Mann und ergriff Philips Hände. »Endlich! Du siehst gut aus. Die Dämonen sind fort, nicht wahr?« Er sprach so langsam und würdevoll, dass Lena sein Arabisch ohne Mühe verstand.
»So ist es, Großvater.«
Der alte Mann drückte Philip kurz an sich, dann fiel sein Blick auf Lena und das übrige Gefolge.
»Willst du mir deine Begleiter nicht vorstellen?«, fragte er nun auf Deutsch.
»Das ist meine Frau Helena. Lena, mein Großvater Mikhail von Alexandria.«
Mikhail reichte Lena die Hand.
»Philip hat dich in seinem Brief mit den edelsten Worten beschrieben, aber sie wurden deinem Glanz nicht gerecht. Sei mir willkommen.«
»Ich danke dir.«
»Und das ist meine Mutter«, fuhr Philip mit der Vorstellung fort. Doch die wartete kaum ab, sondern riss Lena in die Arme und küsste sie auf beide Wangen, als wäre sie selbst die seit Langem verlorene Tochter.
»Er schrieb, du tust ihm gut«, sagte sie. »Du hast ihm seine Seele zurückgegeben. Dafür sind wir dir ewig dankbar.«
Lena spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Vielleicht hätte sie Philip doch bitten sollen, ihr den Brief vorzulesen, den er kurz nach ihrer Hochzeit an seine Familie geschrieben hatte. Anscheinend hatte er sich mit blumigen Worten nicht zurückgehalten.
Auch die Begrüßung durch Philips Schwester Sophia fiel warm und herzlich aus.
Bertram und die beiden Waffenknechte wurden ebenfalls willkommen geheißen, aber als die Vorstellung an Thea kam, spürte Lena Philips Unsicherheit.
»Thea hat uns begleitet, weil sie nicht wusste, wo sie nach dem Tod ihres Vaters bleiben sollte«, begann er vorsichtig. »Ihr Vater war ein Jugendfreund meines Vaters und ihre Mutter einst meinem Vater versprochen. Als sie mich um Hilfe bat, fühlte ich mich für sie verantwortlich.«
Lena beobachtete das spöttische Blitzen in Theas Augen, doch die Gastgeber schienen nichts zu bemerken. Mikhail begrüßte sie ebenso herzlich wie alle anderen.
»Es gibt gewiss einiges zu erzählen«, sagte Mikhail schließlich zu Philip. »Du hast viel erlebt, aber auch hier ist so manches vorgefallen, während du mit Said fernab der Heimat geweilt hast.«
»Du klingst so ernst, Großvater.«
»Wir haben ernste Zeiten durchlebt. Aber davon später mehr. Ihr habt eine lange Reise hinter euch. Amnet soll das Bad beheizen und die Stuben richten. Wir sprechen ausführlich beim Nachtmahl.«
»Die Worte
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