Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
ihnen noch aus der Zeit, da er als Knappe bei Heinrich gelebt hatte. Allerdings waren sie damals nicht bewaffnet ihrem Tagewerk nachgegangen. In ihren Gürteln steckten lange Messer und Krummsäbel. Erneut warf Philip seinem Freund einen Blick zu, und der schüttelte kaum merklich den Kopf. Konnte sich in nur einem Jahr so viel verändert haben?
»Herr Philip«, wurde er von Amin begrüßt, dem einzigen Knecht, der deutsch sprach und sich damit immer gern vor den übrigen Dienstboten hervortat.
»Sei mir gegrüßt, Amin«, antwortete Philip auf Deutsch, nur um dann ins Arabische zu wechseln. »Sag, ist der Hausherr für uns zu sprechen?«
Amin deutete eine leichte Verbeugung an. »Jawohl, ich setze ihn sogleich in Kenntnis. Und die anderen kümmern sich um die Pferde.«
»Ich danke dir.« Philip stieg vom Pferd, Said und Bertram folgten seinem Beispiel.
»Seit wann tragt ihr Waffen bei der Arbeit?«, fragte Philip den Knecht, der ihm Aswad abnahm.
»Seit der Nacht des Feuers.«
»Gab es danach weitere Übergriffe?«
Einen Lidschlag lang flackerte der Blick des Mannes, als müsse er sich seine Worte genau überlegen.
»Wir haben die Mauer erhöht, wie du gewiss gesehen hast.«
Philip stutzte. Warum wich der Mann ihm aus? Hatte er Anweisung erhalten, über bestimmte Geschehnisse nicht zu sprechen? Ehe er weiter nachfragen konnte, erschienen Ritter Heinrich und sein Sohn Guntram im Hof.
»Philip!«, rief Heinrich. »Wie ich hörte, bist du gestern mit Said zurückgekehrt. Schön, dass euer erster Besuch euch zu uns führt!«
Philip fühlte sich vom besten Freund seines Vaters mit der gewohnten Wärme begrüßt. Heinrich hatte sich kaum verändert. Ein hochgewachsener Mann, der die meisten Einheimischen um Haupteslänge überragte. In seinen hellen Augen strahlte noch immer die Kraft der Jugend, auch wenn sein Haar seit der letzten Begegnung von zahlreichen weißen Strähnen durchzogen war. Heinrich drückte seinen ehemaligen Knappen an sich, dann begrüßte er Said und ließ sich Bertram vorstellen.
Guntrams Begrüßung war nicht weniger herzlich, und doch fiel es Philip schwer, ihm so unbefangen wie früher entgegenzutreten. Sie waren beide im gleichen Alter, hatten die gleiche Ausbildung zum Ritter durchlaufen. Guntram war Knappe bei Philips Vater gewesen. Damals hatte Otto gehofft, Philip werde zu Guntram das gleiche innige Verhältnis entwickeln wie zu Said. Aber das war nie geschehen. Philip schätzte Guntram als guten Freund. Aber Said war ihm wie ein Bruder. Niemand kannte ihn so gut wie Said.
Für einen Moment kehrte eine alte Erinnerung zurück. Vierzehn war er damals gewesen, hatte bald darauf Heinrichs Knappe werden sollen. Es war am Abend gewesen, bevor er in Heinrichs Haus hatte ziehen sollen, so wie es üblich war unter Knappen.
»Du wirst nun ein Mann«, hatte sein Vater gesagt. »Am Ende dieser Zeit wirst du in die Ritterschaft aufgenommen werden. Das ist eine große Ehre, der du dir immer bewusst sein solltest.«
»Das bin ich, Vater.«
»Deine Kindheit ist vorbei, deshalb solltest du nun Freundschaften eingehen, die dir dein Leben lang von Nutzen sind.«
Philip hatte seinen Vater angesehen und nicht begriffen, was dieser ihm damit sagen wollte.
»Du weißt, ich liebe Said wie einen eigenen Sohn«, war sein Vater fortgefahren. »Aber es ist nicht gut für dich, wenn du deine Freundschaft ausschließlich auf ihn beschränkst.«
»Das tue ich doch gar nicht«, hatte er heftig widersprochen. Doch zugleich hatte er gewusst, dass seine Worte nicht der Wahrheit entsprachen.
Sein Vater hatte die Stirn gerunzelt. »Ihr habt nicht denselben Glauben. Das könnte euch irgendwann in Schwierigkeiten bringen. Ich würde es begrüßen, wenn du dich in nächster Zeit mehr an Guntram hieltest.«
»Warum?«
»Dafür gibt es viele Gründe. Die Zeiten sind nicht einfach für uns Christen. Wir müssen zusammenhalten.«
»Bin ich ein schlechterer Christ, nur weil ich mit Said befreundet bin?«
»Nein, natürlich nicht, mein Sohn«, hatte sein Vater geantwortet und ihm dabei auf die Schulter geklopft. Es war das einzige Mal gewesen, dass Otto etwas gegen seine Freundschaft zu Said gesagt hatte, und jetzt fragte Philip sich, was wohl der wahre Grund gewesen sein mochte. Er konnte sich an keine Konflikte zwischen Christen und Muslimen erinnern, aber sein Vater war ein Mann, dem stets daran gelegen war, alle Sorgen von seiner Familie fernzuhalten. Gab es schon früher einmal derartige Schwierigkeiten wie
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