Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
stieß eine Tür auf. Bislang hatte Lena die Kammer der Räuberin noch nicht betreten. Sie war nicht sonderlich groß, aber ebenso behaglich eingerichtet wie die übrigen Räume des Hauses.
»Also?« Thea machte keine Anstalten, sich zu setzen, sondern warf die Kleidung, die sie der Magd entrissen hatte, aufs Bett und verschränkte die Arme vor der Brust. Ganz wie ein kämpferischer Ritter, der mit seinem Feind verhandelt, dachte Lena. Doch sie war nicht in böswilliger Absicht gekommen, und so schenkte sie Theas abweisender Haltung keine Beachtung, sondern ließ sich auf einem Sitzkissen nieder.
»Willst du dich nicht auch setzen?«
»Anders werde ich dich wohl nicht los«, brummte Thea und nahm ihrem ungebetenen Gast gegenüber Platz. »Also, was gibt’s?«
»Philip hat mich gebeten, mit dir zu sprechen«, begann Lena.
»Ach, wagt er es nicht selbst?« Ein böses Lächeln breitete sich auf Theas Gesicht aus.
»Vermutlich fürchtet er deine spitzen Knie.«
»Der kleine Zwischenfall scheint dich zu erheitern.«
»Manchmal ernten Männer, was sie gesät haben. Und wer sich mit dir einlässt, muss damit rechnen, dass du ihm wehtust.«
»Sag bloß, du hättest kein Mitleid mit deinem Mann.«
»Mitleid …« Lena dehnte das Wort. »In einem sind Philip und ich uns einig. Mitleid ist die böse Stiefschwester des wahren Mitgefühls. Wer mit dir fühlt, der ist dir nahe. Aber das Wort Mitleid wurde allzu oft missbraucht, um zu heucheln. Wer dir nur im Leid nahe ist, aber nicht in der Freude, der überschreitet rasch die Grenze und ergötzt sich heimlich am Leid des anderen.«
»Wolltest du mir einen Vortrag über Wortspiele halten? Das hast du getan und kannst nun gehen.«
»Nein, das war nur ein kleiner Schlenker. Philips Großvater macht sich Sorgen um dich. Er will wissen, wie es mit dir weitergehen soll. Philip hat dich fast wie ein Familienmitglied eingeführt, und Mikhail fühlt sich für dich verantwortlich.«
»Ach so, seine Heiratspläne!« Thea lachte. »Da kann er ewig warten. Der gute Mikhail scheint ohnehin kein geschicktes Händchen zu haben, wenn selbst seine Enkelin nichts von den Bewerbern hält, die er ihr aussucht.«
»Aber sieh doch ein, dass es auf Dauer keine andere Lösung gibt! Er hat auf den Ruf seines Hauses zu achten. Du kannst in Ägypten nicht so weiterleben wie in deinen heimischen Wäldern.«
Lenas Blick streifte einen goldenen Fingerring, der ihr bisher an Theas Hand noch nicht aufgefallen war. Thea war dem Blick gefolgt.
»Glaubst du, ich stehle?«
»Nein, für so dumm halte ich dich nicht. Hier hackt man Dieben die rechte Hand ab.«
»Ich kann auf mich aufpassen.«
»So gut wie in Hamburg?«
»Besser.«
»Das will ich hoffen. Du solltest die Gefahren in diesem Land nicht unterschätzen.«
»Du redest, als wärst du eine Einheimische. Dabei hast du bislang vermutlich weniger von Alexandria gesehen als ich.«
»Magst du mir erzählen, wo du deine Tage verbringst?«
Theas Finger spielten eine Weile mit dem Ring, dann blickte sie Lena herausfordernd an. »Gewiss. Ich habe mir einen Liebhaber gesucht.«
Lena schluckte. Auch wenn sie eine ähnliche Antwort erwartet hatte, so erschreckte es sie doch, mit welcher Offenheit Thea über ihren unschicklichen Lebenswandel sprach. Sollte Mikhail davon erfahren, würde er dies als Schande für sein Haus betrachten.
»Wird er dich heiraten?«
Thea lachte. »Ich hoffe nicht. Erfahrungsgemäß werden Männer langweilig, wenn eine Frau ihnen länger verbunden ist.«
»Das klingt, als seist du schon einmal verheiratet gewesen.«
»Du bist sehr neugierig.«
»Das bin ich. Also?« Lena hielt Theas Blick ebenso herausfordernd stand.
»Ich war eine Zeit lang so etwas wie die Gattin zur linken Hand. Nun ja, nicht ganz, der gute Ulf von Regenstein war schon mit Irmela zur rechten Hand verheiratet. Aber ich bedeutete ihm mehr als eine gewöhnliche Geliebte.«
Lena stockte der Atem. »Du warst mit Ulf von Regenstein verbunden?«
»Ich habe ihn nach zwei Jahren verlassen.«
»Weil er dir zu langweilig wurde?« Lena sah Thea unverwandt in die Augen. Für einen Moment hatte sie wieder den Eindruck, die starke Seelenflamme der Räuberin flackere.
»Ich glaube nicht, dass du das wirklich wissen willst.«
»Ich glaube, du willst es nur nicht erzählen.«
Auf einmal war der helle Funken in Theas Augen zurückgekehrt. Doch zugleich mischte sich ein roter Strahl in das reine Gelb der Seelenflamme. So wie Lena es nur bei Heißblütigen
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