Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
seinem Haus weisen.«
»Das wird er nicht tun.«
»Dann muss er damit leben, dass ich so bin, wie ich bin.« Thea erhob sich. »Und nun möchte ich dich höflich bitten, mich allein zu lassen.«
»Du kannst höflich bitten?« Auch Lena stand auf.
»Kann ich. Aber nur einmal. Danach werde ich unhöflich.« Trotz dieser Worte wirkte Theas Gesichtsausdruck versöhnlich.
»Ich danke dir.«
»Für meine Höflichkeit?«
»Für deine Offenheit. Ich habe heute einiges über dich gelernt, Thea.«
»Dann pass nur auf, dass du irgendwann auch etwas über dich selbst lernst.«
»Über mich?« Lena hielt inne. »Wie meinst du das?«
»Das wirst du schon noch merken.« Thea öffnete die Tür und gab Lena durch ein Handzeichen zu verstehen, dass sie nun endgültig gehen solle. Mit einem leisen Seufzer folgte Lena der Aufforderung.
21. Kapitel
S ehnsüchtig erwartete Thea den Einbruch der Dunkelheit. Es war ihr schwergefallen, nach dem Gespräch mit Lena ruhig zu bleiben, sich abends zur gemeinsamen Mahlzeit mit der Familie an den Tisch zu setzen und Mikhails dummes Geschwätz über vorteilhafte Eheverbindungen zu ertragen. Immerhin galt es diesmal nicht ihr, sondern Sophia. Doch die war klug genug gewesen, sich von der Tafel fernzuhalten. Wider Willen fühlte sich Thea Philips Schwester auf einmal eng verbunden. Sie hatte die Leidenschaft in Sophias Augen erkannt, die Trauer um ihre Katze und zugleich den Kampfeswillen um den Mann, den sie liebte. Vielleicht war Sophia die geeignete Person, die ihr etwas über die geheimnisvollen Hüterinnen verraten konnte.
Aber das hatte Zeit. Erst galt es, das Haus von Abd al-Hisâb zu erkunden. Bei den letzten roten Strahlen der Abendsonne schlüpfte Thea in ihre Beinlinge und zog die geschlitzte Suckenie über. Eine äußerst zweckdienliche Kleidung. Sie erweckte den Anschein eines züchtig gekleideten Weibes, engte aber die Bewegungsfreiheit nicht ein. Thea schlang sich noch ein Tuch um das Haar, warf ihren Umhang über und steckte den Dolch in den Gürtel. Ihr Schwert blieb unangetastet zurück. Seit dem Vorfall in Hamburg wusste sie, dass diese Waffe sie außerhalb der Wälder verwundbar machte, statt ihr Stärke zu verleihen. Dann durchwühlte sie ihre Habe nach dem Seil mit dem kleinen Mauerhaken und schob es ebenfalls in den Gürtel.
Sie hätte Mikhails Grundstück auch durch die Pforte verlassen können, aber sie sah es als gute Übung, die Mauer nach Art der Einbrecher zu überwinden. Niemand bemerkte, wie sie das Seil über die Mauerkrone warf, oder hörte gar, wie sich der Haken im Stein festkrallte. Noch während sie die Mauer erklomm, dachte sie an das Räuberlager. Ihr Vater hatte den gleichen Fehler begangen wie Mikhail. Die Einfriedungen mochten hoch sein, aber sie waren nicht unüberwindlich. Zwei Männer hatten genügt, sich Einlass zu verschaffen und das Tor zu öffnen. Philip war einer von ihnen gewesen … Bei der Erinnerung durchfuhr Thea eine heiße Welle des Zornes. Sie hatte ihm vertraut, hatte ihn zu ihrem Gefährten machen wollen. Und er hatte sie verraten! Sich einer anderen zugewandt und alles vernichtet, was ihr einst teuer gewesen war.
Sie schwang sich über die Mauerkrone, rollte das Seil ein und sprang auf der anderen Seite hinunter. Dann atmete sie mehrfach tief durch. Sie musste ihren Zorn bezwingen, kühl und überlegt handeln. In dieser Nacht gab es Wesentliches zu klären. Und doch blieben die Bilder. Zum Hass auf Philip gesellte sich der alte Zorn auf Ulf von Regenstein und seine verdammte Schwäche. Wieder sah sie ihn vor sich, am Tag, als Julia beerdigt worden war. Sie hatte das feuchte Schimmern in Ulfs Augen gesehen, seinen Schmerz. Auch er hatte um die Kleine getrauert, vielleicht mehr als um jene Kinder, die Irmela ihm geschenkt hatte. Und dennoch war er zu schwach gewesen, den Tod seiner Tochter zu rächen. Dabei hätte es nur einer Bewegung bedurft.
Und dann? Wärst du bei ihm geblieben und sein rechtmäßiges Weib geworden? Immer wieder hatte Thea sich früher diese Frage gestellt, aber inzwischen wusste sie, dass es so war. Hätte Ulf von Regenstein wahren Mut besessen und sein Weib davongejagt oder – besser noch – ersäuft, dann wäre sie bei ihm geblieben. Denn es gab eine Zeit, da hatte sie auch für ihn mehr als nur Leidenschaft empfunden. Doch alle Liebe, die sie ihm jemals entgegengebracht hatte, war gemeinsam mit ihrer Tochter zu Grabe getragen worden. Ulf von Regenstein war ihrer Liebe nicht wert. Ebenso
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