Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
des großmütigen Herrn«, ahmte sie den unterwürfigen Tonfall der Sklaven nach. »Man hat mir aufgetragen, das schmutzige Geschirr aus den Kammern zu holen.«
»Neu hier?« Der Mann musterte sie eingehend. Nicht misstrauisch, sondern gierig. »Komm nachher zu mir, wenn du mit deiner Arbeit fertig bist!«
»Ja, Herr.« Thea senkte ergeben den Kopf. »Wo finde ich dich?«
»Dort hinten.« Er deutete in Richtung der Räume, aus denen das Würfelklappern drang. »Frag nach Hassan!«
»Ich werde nach dir fragen«, antwortete sie. Hassan grinste und verschwand. Thea atmete auf. Manchmal war es von Vorteil, eine Frau zu sein. Sie tastete nach dem Tuch, mit dem sie ihr Haar verhüllt hatte, um sicherzugehen, dass keine verräterische rote Haarsträhne heraushing.
Immerhin blieb die Begegnung mit Hassan die einzige, und sie erreichte wohlbehalten das obere Stockwerk. Von draußen hatte sie gesehen, dass hier oben hinter mehreren Fenstern noch Licht brannte. Hinter einer Tür hörte sie Frauen lachen. Sie hielt kurz inne und lauschte. Die Frauen sprachen schnell, kicherten, dann redeten sie wieder. Thea entnahm den wenigen Wortfetzen, die sie verstand, dass es offenbar die Frauen von Abd al-Hisâb waren, die sich über die Vorzüge männlicher Geschlechtsmerkmale und kostbarer Seidenstoffe austauschten. Dumme Gänse, nichts, womit sie ihre Zeit verschwenden wollte.
Einige Türen weiter klang es vielversprechender. Männliche Stimmen. Ernste Stimmen, kein Würfelklappern. Und eine der Stimmen erkannte sie sofort. Es war Omar! Weilte er immer noch als Gast bei Abd al-Hisâb? Oder verbrachte er die Nacht immer hier und nicht auf seiner Barke?
Thea drückte sich näher an die Tür, damit sie gleichzeitig lauschen und den Flur im Blick behalten konnte. Obwohl sie Omars Stimme kannte, kam sie ihr doch fremd vor, denn gewöhnlich sprach er mit ihr sehr langsam, stets darum bemüht, dass sie seinen Worten in der für sie noch fremden Sprache folgen konnte. Hier redete er so schnell, wie es seinem Naturell entsprach. Schnell und entschieden. Irgendetwas missfiel ihm. Zwischendurch hörte sie Abd al-Hisâb Worte der Beschwichtigung ausrufen, doch Omar wollte nicht beschwichtigt werden. Thea verstand nicht alles, aber je länger sie lauschte, umso besser vermochte sie dem Gespräch zu folgen.
»Du hast mich heute Vormittag belogen!«, schrie Omar. Es folgten Verwünschungen, die Theas Wortschatz überstiegen. »Wie konntest du das Siegel verwenden?«
»Herr, du weißt, ich habe es doch nur in unserem Sinn …«
»Schweig, du Narr! Wenn der Emir Wind davon bekommt, ist alles verloren. Niemand darf von dem Siegel wissen. Und du Dummkopf nutzt es für deinen eigenen Vorteil!«
»Es hätte uns viel Geld gebracht«, winselte Abd al-Hisâb. »Die Christen …«
»Die Christen sollen dich nicht kümmern. Wenn du die Dhimmi-Abgabe eigenmächtig erhöhst, sind sie sofort beim Emir. Und was wird der wohl sagen, wenn sie ihm ein Dokument vorlegen, das angeblich vom Sultan von Kairo gesiegelt wurde und von dem er nichts weiß?«
»Aber …«
»Sohn eines Esels und Enkel eines Esels! Sei froh, dass ich es rechtzeitig erfahren habe! Wenn du mich noch einmal belügst, stirbst du. Und wehe dir, ich sehe dich noch einmal auf meiner Barke!«
Thea hörte ein klatschendes Geräusch. Abd al-Hisâb wimmerte.
»Ich habe genug von dir und deinen Eigenmächtigkeiten! Die Krokodile freuen sich über einen fetten Bissen wie dich.« Schritte näherten sich der Tür. Thea hatte gerade noch Zeit, sich in eine Nische vor dem Frauengemach zu ducken, als die Tür aufflog und Omar herausstürmte. Abd al-Hisâb rannte ihm mit geröteter Wange nach und flehte wie ein erbärmlicher Wurm um Verzeihung. Thea wurde übel bei so viel Unterwürfigkeit. Die Tür zu Abd al-Hisâbs Gemach stand offen. Ob es sich wohl lohnte, sich dort umzusehen? Gewiss, es war gefährlich, aber Thea traute sich zu, mit dem dicken Diener der Rechnung mühelos fertigzuwerden, falls er sie entdecken sollte.
Das Zimmer erinnerte sie an die Räumlichkeiten in Mikhails Haus. Ein großes Bett stand in einer Ecke, in der anderen entdeckte sie gepolsterte Bänke und Sitzkissen. Auf dem kleinen Tisch befanden sich noch zwei Teegläser, eines war umgestoßen und hatte Flecken auf dem Teppich hinterlassen. Theas Blick schweifte weiter durch das Zimmer. Neben dem Bett stand eine Truhe, die sonst mit drei Schlössern gesichert war, doch nun stand sie offen, und der Schlüssel steckte. Darin
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