Sündenjagd: Deadly Sins 1 - Roman (German Edition)
abreisen.«
»Du kommst nach Amerika?«
»Ich muss. Versprich mir, Moira aus dem Gefängnis zu holen!«
Anthony rang mit sich. Er wollte nicht gehorchen. »Ja, Pater, das werde ich.«
ACHT
Philip Zaccardi packte nur ein paar Sachen in seinen Koffer – er brauchte nicht viel.
Der Priester hasste es zu reisen. Er verließ St. Michael nur selten, und seine Mitmönche, jene jungen Männer, die er ausbildete, glaubten, er hätte Angst vorm Fliegen. Mit ihrer Vermutung lagen sie gar nicht so falsch – er hatte Angst, doch die hatte nichts mit Flugzeugen zu tun.
Wenn Anthony gewusst hätte, welch persönliche Offenbarung Pater Philip vor Jahren widerfahren war, würde der junge Dämonologe darauf bestehen, dass er nie die Insel verließ. Doch Philip hatte niemandem davon erzählt; es war eine Offenbarung gewesen, die nur ihm gegolten hatte.
Die Zeit war nun gekommen. Sollte er mit seiner Vermutung richtig liegen – und davon ging er aus –, würden Menschen sterben. Was aber, wenn er falsch lag? Dann würde er eine Kette von Ereignissen in Gang setzen, durch die noch viel mehr Menschen leiden und sterben würden – unter anderem auch jene, die ihm sehr am Herzen lagen. Doch in Anbetracht all des Bösen nichts zu tun war eine Sünde, und für viele – einschließlich ihn selbst – stellte Untätigkeit eine noch größere Sünde dar als ein Irrtum. Niemand konnte es sich erlauben, bei dem Kampf zwischen Gut und Böse neutral zu bleiben.
Die Grenze war vor langer Zeit gezogen worden, als Eva von der Schlange belogen wurde. Man konnte immer noch die Seiten wählen, und die Auswirkungen dieser Wahl kannte nur Gott. Aber Er teilte sein Wissen nicht.
Philip suchte Bischof Pietro Aretino auf, den älteren Vikar,
der sich um die alltäglichen geistlichen Bedürfnisse der Priester und Mönche kümmerte. Es war Zeit zu beichten.
Man könnte meinen, einen Priester belasteten nicht viele Sünden, aber Philips Gedanken bestanden aus einem Geflecht von Zwiespalt und Zweifel. Zweifel deuteten auf einen Mangel an Glauben hin, wodurch Angst geschürt wurde, die sowohl ihn als auch andere körperlich und geistig in Gefahr bringen konnte.
Philips Leben hatten schon immer Zweifel und Fragen begleitet. Dennoch harrte er aus und widersetzte sich dem Bösen.
Nachdem er den Dispens erhalten hatte, unternahm der Bischof einen Spaziergang mit ihm durch den Garten, um den Philip sich früher gekümmert hatte und in dem das Unkraut jetzt nur so wucherte. So sah nun einmal die Realität des einundzwanzigsten Jahrhunderts aus: Es gab nur noch wenige junge Priester mit einem kräftigen Rücken, dafür aber umso mehr alte mit schwachen Knochen. Damals, als Philip noch neu in St. Michael gewesen war, kamen jedes Jahr drei, vier oder sogar fünf Kinder auf die Insel. Die Jungen wurden dort aufgezogen und für den Kampf gegen das Böse ausgebildet. Aber jetzt? Nicht mehr als vier Jungen in den letzten zwanzig Jahren! Bedeutete das, dass die letzte Schlacht unmittelbar bevorstand? Würde der zehnjährige James Parisi der letzte Kämpfer in einem Orden sein, der vor Jahrhunderten gegründet worden war?
»Du verreist«, begann Pietro.
Philip hatte seine Reise in der Beichte nicht erwähnt, doch der Bischof war selbst in seinem fortgeschrittenen Alter noch sehr scharfsinnig. »Ja.«
Sie gingen schweigend nebeneinander her. Es war Mittag, Wolken verdeckten die im Zenit stehende Sonne. Philip blieb stehen, um Unkraut an einem Baum zu zupfen, den sie nach Peters Tod gepflanzt hatten. In dieser Reihe standen so viele Bäume … zu viele Bäume. Peter. Lorenzo. Elijah. Und noch mehr.
»Nimm Gideon mit.«
Philip zögerte, richtete sich wieder auf und schaute Pietro an. »Ich dachte, wir hätten uns entschieden, Gideon noch ein Jahr hierzulassen.«
»Wir haben keine Zeit und können uns diesen Luxus daher nicht erlauben.«
Philip wollte zwar keine Anweisungen missachten, doch war er um Gideons Sicherheit bedacht, dessen Mentor im Jahr zuvor verstorben war. Gideons Ausbildung in St. Michael war abgeschlossen, dennoch lag seine Bestimmung noch im Dunkeln, wenngleich er vielfältige Begabungen besaß. Gefährliche Begabungen, die leicht von einem jungen Mann wie ihm falsch gedeutet werden konnten.
Pietro setzte mit bedächtigen Schritten den Spaziergang auf dem brüchigen Steinweg fort. Sein Alter zwang ihn, langsam und vorsichtig zu gehen. »Du magst den Jungen.«
Philip folgte ihm. »Nicht mehr als die anderen.« War das eine Lüge?
Weitere Kostenlose Bücher