Sündenkreis: Thriller (German Edition)
Christen in Wien. Danach entstanden weitere Wohngemeinschaften in anderen Städten Österreichs. Herr Holic war daran nicht beteiligt, im Gegenteil, Mitte 2004 wurde er aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.«
»Können Sie uns etwas zu Ihrem Selbstverständnis, Ihrer Lehre sagen?« Lara schielte auf die Uhr. Sieben Minuten waren schon um. Hoffentlich beharrte der Typ nicht auf der Viertelstunde.
»Wir leben konsequent nach dem Evangelium. So wie die ersten Christen. Wir sehen uns als wahre Nachfolger Jesu; Brüder und Schwestern, die Gott als gemeinsamen Vater und Jesus als gemeinsamen Herrn verehren. Bei uns stehen Gott und die selbstlose Liebe im Vordergrund. Wir leben bewusst ohne Luxus. Luxus ist Sünde und hält uns von Gott fern.« Der Holic -Mann machte eine ausholende Geste, die das gesamte Zimmer umfasste. Wie mochte er mit Vornamen heißen?
»… es gibt keine Amtsträger. Amtsträger missbrauchen ihre Ämter zur Aufrechterhaltung persönlicher Macht. Bei uns gibt es stattdessen Älteste, die sich durch christliche Tugenden und Erfahrung auszeichnen.«
»Wie muss man sich das im täglichen Leben vorstellen?« Lara hatte lange überlegt, ob sie den Mann unterbrechen sollte, aber er schwafelte ihr zu viel von der reinen Lehre und die Zeit lief ihnen davon. Herr Schwarz stutzte kurz und schüttelte unmerklich den Kopf, fuhr dann jedoch zu ihrer Erleichterung fort.
»Wir leben in Wohngemeinschaften und teilen alles miteinander. Die Christen haben sich alle bewusst für Jesus entschieden und leben ehelos.« Bei den nächsten Worten richtete sich der Mann auf. Seine dunklen Augen glühten dabei. »›Und als die Menschen über Jesus hörten, drang es ihnen durchs Herz, und sie sprachen zu Petrus und den anderen Aposteln: Was sollen wir tun?‹ Wir hier sind in verschiedenen Glaubensrichtungen und auch in einem atheistischen Umfeld aufgewachsen, doch wir alle mussten feststellen, dass verschiedene Wege nicht zum richtigen Ziel führen. Was also ist der richtige Weg, was ist die Wahrheit? Wir glauben nicht, dass wir die Quelle der Wahrheit sind, nein, wir sind weit davon entfernt, uns zu überheben oder zu denken, dass wir vollkommen sind! Aber wir wissen, dass die Wahrheit zugänglich ist, weil Jesus sie der Menschheit offenbart hat.«
Lara, die hastig mitschrieb, spürte, wie Jo neben ihr auf dem Stuhl hin und her zu rutschen begann. Herr Schwarz hatte anscheinend sein Zeitlimit vergessen.
»… ›Die Wahrheit wird uns frei machen!‹ Das bedeutet, dass wir die Wahrheit über uns sehen sollen, wir sollen unsere Sündhaftigkeit eingestehen und Gottes Vergebung durch Jesus annehmen. Dann kann er uns die Kraft geben, unsere Sünden zu überwinden und ein heiliges Leben zu führen, dann kann er uns die Kraft geben, unser ganzes Leben zu geben, um ihm zu dienen!«
Bevor der nächste Satz heraussprudeln konnte, warf Lara den Stift auf den Tisch und hob die Hand. »Danke, Herr Schwarz. Wunderbar.« Nur kurz widerspiegelte sich Verblüffung in den Augen des Mannes, dann hatte er sich gefangen. »Vielleicht können Sie uns zum Abschluss noch etwas Material mitgeben? Flyer, Infomaterial, so etwas?« Sie erhob sich. Jo und der Sektenmann taten es ihr nach. Herr Schwarz stakte hinaus, und verschwand in einem Nebenraum, aus dem er ebenso schnell wieder mit mehreren buntbedruckten Blättern hervorkam, die er Lara ohne ein Wort hinhielt, um anschließend die Tür zu dem verwilderten Garten zu öffnen.
»Wiedersehn.« Jo, der als Erster hinausmarschiert war, drehte sich zu Lara um, sobald sich die Tür geschlossen hatte und zischte aus dem Mundwinkel: »Der war ja der Knaller!«
»Lass uns das im Auto besprechen.« Lara betrachtete die Flyer und überflog die plakativen Überschriften, während sie ins Auto einstieg. ›Gibt es hier jemanden, der Gott sucht?‹ ›Freiheit ist mehr als das ständige Jagen von einer Leere zur nächsten.‹
»Mir kommt der Typ ziemlich verdächtig vor.« Jo schaute nach draußen auf die Baracke. »Dir nicht?«
»Zu offensichtlich, fürchte ich. Ich muss ein wenig recherchieren. Man könnte auch Reinmann befragen, ob die übersetzten Texte und die Lehre dieser Holic -Leute prägnante Übereinstimmungen aufweisen.«
»Gute Idee. Wohin jetzt?«
»Nach Markkleeberg. Schnüffeln wir noch ein wenig bei den Kindern des Himmels rum.« Das Auto setzte sich in Bewegung.
»Schau mal, dahinten! Kommt der dir irgendwie bekannt vor?« Jo flüsterte; gerade so, als ob der Mann, der zwei
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