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Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Titel: Sündenkreis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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weitergesprochen. »Wenn die Theorie von den Todsünden richtig ist, und davon gehe ich aus, wird der Täter das starke Verlangen haben, seine Serie fortzusetzen. Ihm fehlen noch zwei Opfer. Ich fürchte, er wird nicht tagelang damit warten, sein Werk zu vollenden.«
    »Das fürchte ich auch. Was kann ich tun?« Lara nieste und ging auf die Eingangstür zu. Es war gleich acht Uhr, und sie musste nach oben.
    »Gar nichts. Ich werde mich um die Sache kümmern. Gib mir dein Wort, dass du inzwischen die Füße stillhältst. Ich rufe dich wieder an, sobald ich etwas weiß. OK ?«
    »Na gut. Aber lass mich nicht wieder tagelang zappeln.«
    »Hoch und heilig. Bis später.«
    Die schwere Tür fiel hinter Lara ins Schloss, und sie stand für einen Augenblick im Dunkeln, bis das Treppenlicht aufflammte. »Dann mach’s gut, Mark. Bis heute Abend.« Sie legte auf und hatte auf dem Weg nach oben seine tiefe Stimme im Ohr.
    »Der Redaktionsleiter möchte mit Ihnen sprechen.« Markus Lehmann schien auf Lara gewartet zu haben. Er stand neben der Tür und beobachtete, wie sie sich aus ihrer Jacke schälte.
    »Ach ja?« Konnte Tom ihr das nicht selbst sagen? Brauchte er jetzt schon einen Sprecher?
    »Um zehn, soll ich ausrichten.«
    »Aha.« Lara drehte sich um und ging zu ihrem Platz. Der Praktikant sah ihr nach. Sie konnte seine Blicke wie tastende feuchte Finger in ihrem Rücken fühlen. Hubert, der schon an seinem Platz saß, hatte das Ganze mit amüsiertem Gesichtsausdruck verfolgt. »Toms Hündchen.« Beim Grinsen sah man Huberts schiefen Eckzahn.
    »Er braucht anscheinend immer Leute, die zu ihm aufsehen.« Lara schaltete ihren Computer ein und überlegte, um was es in dem Gespräch gehen könnte. Hinter ihr ratterte das Faxgerät und spuckte bedrucktes Papier aus. Ulrike Bannschuh kam aus der Küche, eine Tasse Kaffee in der Rechten, und grüßte in die Runde. Auf Laras Bildschirm erschien die Abwesenheitsliste. Sie dachte an Jo. Freie waren nicht verpflichtet, sich hier einzutragen, da sie für verschiedene Zeitungen, Agenturen oder andere Auftraggeber arbeiteten. Seit er vorhin ohne sie zu wecken aus ihrer Wohnung verschwunden war, hatte sie nichts von ihm gehört. War er zu einem Auftrag außerhalb unterwegs? Sie nahm sich vor, ihn in der Mittagspause anzurufen, falls er bis dahin nicht in der Redaktion aufgetaucht war, und begann zu tippen. Zehn Minuten später riss das Klingeln eines Telefons sie aus ihrer Konzentration.
    » Tagespresse , Hubert Belli.« Hubert lauschte, runzelte die Stirn und reichte dann den Hörer über den Schreibtisch. »Es ist für dich, Lara.«
    *
    Giotto di Bondones Fresko » Invidia « in der Arenakapelle in Padua, das um 1306 entstand, zeigt den Neid als Frau. Sie ist jeglicher Attraktivität beraubt, ihr Gewand hängt schlaff am unförmigen Körper herab, die rechte Hand ist zu einer Kralle gekrümmt, in der Linken hält sie einen Beutel, zu ihren Füßen züngeln Flammen. Sie trägt einen Turban mit eingeflochtenen Hörnern, ihr linkes Ohr ist riesig groß, aus ihrem Mund windet sich eine Schlange, die gegen die Augen der Frau züngelt und ihr so den Blick verstellt. Wörtlich übersetzt bedeutete invidia das »Nicht-Sehen«. Der Neider war nicht in der Lage, die Wahrheit zu erkennen, er sah, was er sehen wollte – die Güter und Tugenden des anderen, die ihm selbst nicht zuteilgeworden waren.
    Neid war unter den Todsünden die unangenehmste und verborgenste. Kaltblütige und heimliche Feindseligkeit, verborgener Groll, Gehässigkeit, all das war invidia . Unerträglich schienen dem Neider das Wohlergehen, der Ruhm und Besitz der anderen. Kain, der Ackerbauer, war neidisch auf den Hirten Abel, weil Gott dessen Opfer dem seinen vorgezogen hatte. Sein Neid war so unermesslich groß, dass er den Bruder erschlug.
    Hieronymus Bosch hatte seine invidia -Szene in einer Gasse spielen lassen. Ein Ehepaar blickt aus einem Fenster auf einen Mann, der einen Jagdfalken auf der Linken trägt. Dass ihr Beobachten voller Missgunst ist, sieht man nicht nur an den Gesichtern der beiden. Der große Röhrenknochen, den der Mann hinter dem Fenster in der Hand hält, symbolisiert den Neid. Die beiden Hunde auf der Straße vor ihnen verstärken den Eindruck durch ihren Streit um herumliegende Knochen.
    Es gab viele Beispiele von missgünstigen Zeitgenossen und ihren Untaten, nicht nur in der Bibel. Dass Giotto di Bondone invidia als Frau dargestellt hatte, war kein Zufall. Diese Sünde, so viel wusste der Mann,

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