Sündenkreis: Thriller (German Edition)
Seite.
Lara starrte blicklos die Eiskristalle auf dem Glas an. Sie fror.
21
»Quarzkristall!« Melinda Weiß’ Lider flatterten kurz. Dann öffnete sie die Augen und sah Romain Holländer mit leerem Blick an. Er wiederholte das Losungswort zur Sicherheit noch einmal, aber das wäre gar nicht nötig gewesen. Die Frau war bereits in tiefer Trance.
»Erinnerst du dich daran, das hier geschrieben zu haben?« Romain zeigte ihr die drei Briefumschläge, auf die sie jeweils mit runden Buchstaben »Prinzipal« geschrieben hatte.
»Ja.«
»Gehen wir sie der Reihe nach durch. Ich lese dir die Notizen vor und du versuchst dich zu erinnern, ob sie vollständig sind. Verstanden?« Melinda Weiß nickte und Romain Holländer begann, mit ihr die Aufzeichnungen zu besprechen. Wie er es ihr befohlen hatte, hatte sie Frieder Wörth mehrfach in Gespräche verwickelt und versucht, ihn auszufragen. Viel war allerdings nicht dabei herausgekommen. Tagsüber hielt sich der Mann nicht im Gemeindehaus auf, sondern war auf der Arbeit. Melinda waren so nur die gemeinsamen Mahlzeiten und die Abende geblieben. Morgens war Frieder nicht sonderlich gesprächig. Er kümmerte sich um seinen Sohn und achtete darauf, dass der Junge etwas aß, bevor er ihn auf dem Weg zur Arbeit an der Schule absetzte. Abends hatten sie zwar alle mehr Zeit, aber auch hier kapselte sich der Mann von den anderen ab. Meist verschwand er mit Marcel nach dem Essen und der Andacht in ihrem Zimmer.
»Hast du ihn gefragt, was er an den Abenden tut?«
»Er hilft seinem Sohn bei den Hausaufgaben und geht mit ihm den Schulstoff durch.« Melinda Weiß klang erkältet.
»Das ist vorstellbar.« Romain Holländer spürte, wie sich Zorn in seiner Brust regte. Die ganze Aktion war bisher völlig unergiebig gewesen. Aber einen Trumpf gab es ja noch. »Dann sprechen wir jetzt mal über den Donnerstagabend. Frieder hat das Gemeindegelände gegen einundzwanzig Uhr verlassen. Dann ist er mit der Straßenbahn gefahren, einmal umgestiegen, und ihr seid schließlich in der Josephstraße gelandet. In Plagwitz. Richtig?«
Melinda Weiß nickte und nieste dann.
»Du hast dann vor dem Haus, in das er gegangen ist, gewartet.«
»Mehrere Stunden. Es war bitterkalt.«
»Verstehe.« Das wehleidige Getue konnte sie sich sparen. »Wann kam Frieder wieder heraus?«
»Das weiß ich nicht.« Melinda nieste erneut und nestelte ein Tempo aus der Jackentasche.
»Das weißt du nicht?«
»Um vier habe ich es nicht mehr ausgehalten. Verzeihung. Aber ich habe die Namen vom Klingelbrett abgeschrieben.«
»Dann bist du in deine Wohnung gefahren.«
»Ja. Entschuldigt bitte, Prinzipal. Das nächste Mal werde ich bleiben, bis er wieder herauskommt.«
Romain Holländer verzichtete auf eine Antwort und studierte die mit Bleistift gekrakelte Liste. Vielleicht war Frieder Wörth gar nicht bei einem dieser Leute gewesen. Vielleicht hatte er bemerkt, dass ihm jemand folgte. »Hast du dich vergewissert, dass es bei dem bewussten Haus keinen Hintereingang gibt?«
»Einen Hintereingang?« Melinda Weiß riss die Augen auf. Auf diese Idee war sie anscheinend noch gar nicht gekommen. »Nein.«
»Was nein?« Der Zorn überflutete Romain Holländers Gedanken. »Gab es keinen oder hast du vergessen nachzusehen?«
»Ich habe nicht nachgeschaut.« Melinda Weiß schaute jetzt ängstlich drein. Er musste sich selbst zur Räson rufen und leidenschaftslos mit ihr umgehen, sonst wirkte die Reverie nicht richtig.
»Na gut, meine Liebe. Halb so wild. Quarzkristall. Quarzkristall.« Sie entspannte sich sichtlich, und er fuhr mehr zu sich selbst als zu ihr fort. »Das heißt, wir wissen nicht, ob Frieder jemanden in dem Haus besucht hat. Du wirst morgen noch einmal hingehen. Morgen ist Sonntag, da sind viele Bewohner zu Hause. Du schaust nach, ob es einen Hintereingang gibt. Wenn nicht, klingelst du bei den Leuten und fragst, ob sie einen Frieder Wörth kennen. Du sagst, du seist eine frühere Bekannte von ihm. Das muss als Ausrede reichen. Beobachte besonders die Gesichter der Leute, wenn du Frieders Namen nennst.« Romain Holländer hielt inne. Was, wenn der Mann dort unter einem anderen Namen verkehrte? »Ich gebe dir ein Foto von Frieder mit. Zeig es ihnen und beobachte sie. Hast du verstanden?« Er ließ Melinda Weiß die Anweisungen wiederholen. Was Frieder Wörth überhaupt in dem Haus gewollt hatte, würden sie herausfinden, wenn sie wussten, bei wem er gewesen war. Eins nach dem anderen.
Ihm fiel wieder ein, was
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