Sündenzeit
Gesicht voller Mitgefühl und Zärtlichkeit. „Ich kann nicht gehen, nicht jetzt. Da sind die schwarzen Vögel. Ich weiß, meine Zeit ist da, aber Sean … er ist noch nicht so weit. Und meine geliebte Kat …“
„Ich werde da sein, um sie zu führen und zu beschützen.“ Caer blickte Bridey an. „Und Zach ist auch noch da. Er liebt deine Familie. Du und Sean, ihr seid für ihn und seine Brüder da gewesen, und nun wird er für sie da sein. Er wird sie nicht verlassen.“
Als sie erneut hinunterblickte, hörte Bridey, wie Kat laut schluchzte, sah, wie Sean seine Tochter tröstend in den Arm nahm.
„Beug dich hinunter“, sagte Caer. „Es ist nicht so weit, wie du denkst. Du könntest ihre Wange berühren, ihr helfen, zu verstehen, dass es dir gut geht.“
Bridey streckte den Arm aus und strich ihrer Großnichte sanft über das Gesicht.
Kat blickte plötzlich auf. Verwundert legte sie sich die Hand auf die Wange, dort, wo Bridey sie berührt hatte.
„Sie hat es gespürt“, sagte Bridey ehrfürchtig.
„Aye, sie wird es verstehen“, versicherte Caer ihr. „Sieh dich nur an! Die Jugend und Kraft scheinen schon wieder zu dir zurückzukommen.“
Bridey hörte die Pferde. Die Kutsche näherte sich. Es waren acht schwarze Rösser mit wundervollen schwarzen Flügeln. Sie galoppierten majestätisch durch die Lüfte. Dann berührten sie den smaragdgrünen Hügel mit ihren Hufen und blieben stehen. Die Kutsche öffnete sich.
Caer führte sie hinüber. Die Stufe wäre noch vor Kurzem zu hoch für Bridey gewesen. Doch jetzt nicht mehr. Von drinnen lockten sie Wärme und Licht.
Bridey drehte sich um und umarmte und küsste Caer. Sie war bereit. Nachdem sie eingestiegen war, drehte sie sich zu Caer um und sah ihr in die Augen. „Wenn du mich irgendwann brauchst … Du liebst ihn, das weiß ich. Es ist bestimmt schwer, zu wissen, dass du ihn verlassen musst. Beschütze ihn. Beschütze sie alle, und beschütze vor allem meinen Sean.“
„Das werde ich“, versprach Caer.
„Ich werde über euch wachen. Irgendwie weiß ich, dass ich über euch wachen werde“, sagte Bridey. Und so war es. Sie wusste es einfach. Schon fühlte sie sich sehr stark. Als würde sie wieder laufen, springen, lachen …
Die Kutsche würde sie zu den smaragdgrünen Hügeln bringen. Dort würde sie so viele Menschen treffen, die sie schon jahrelang schrecklich vermisst hatte. Und sie würde laufen, springen und lachen.
Caer lächelte. „Aye. Ich weiß auch, dass du uns beobachten wirst.“
Bridey lehnte sich im Sitz der Kutsche bequem zurück, nicht mehr länger verängstigt.
Als das schwarze Gefährt hoch in den Wolken verschwand, blickte sie zurück und verspürte einen kleinen Stich. Caer stand noch immer auf dem Hügel. Der Wind spielte mit ihrem wunderschönen schwarzen Haar, sodass es ihr perfektes Gesicht mit dem Porzellanteint umrahmte. Das lange schwarze Seidenkleid strich um ihre wohlgeformten Rundungen. Sie hob eine Hand zum Abschiedsgruß und lächelte.
Und Bridey fuhr weiter.
„Es sieht aus, als wäre er genau hier getötet worden“, sagte Zach zu Morrissey.
Der Detective war ganz offensichtlich kein großer Freund der Kälte. Obwohl er versuchte sich zusammenzureißen, zitterte er am ganzen Körper.
Mit dem Polizeipatrouillenboot, das ihn hier herausgebracht hatte, waren außerdem noch vier Techniker von der Spurensicherung gekommen.
„Ich stimme ihm zu“, sagte einer von ihnen. „Für einen Vogel ist das viel zu viel Blut. Und da im Sand … genau da. Das sind Schleifspuren. Halten Sie bitte Abstand, sonst verwischen Sie alles.“
Es waren Schleifspuren. Man hatte sie mit einem behelfsmäßigen Besen, wahrscheinlich nur einem Ast, zu verwischen versucht. Doch man konnte sie noch erkennen, wenn man genau hinsah.
Sie führten zum Wasser.
Zwei der Techniker sahen sich Gary Swipes’ Boot an. Zach erwartete nicht, dass sie dort irgendetwas fanden. Nachdem er die Insel erreicht hatte, war er sicher nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Doch sie überprüften trotzdem alles.
Wieder kämmten die Polizisten die ganze Insel durch. Wateten mit Wasserstiefeln durch die flachen Stellen vorm Strand, doch von Gary Swipes fehlte jede Spur.
Alles, was er hinterlassen hatte, war sein Blut auf einem toten Vogel.
Zach strich durch das Dickicht, untersuchte den Boden und das dürre Unterholz der kahlen Bäume. Nur ein paar robuste Gräser und zähes Gestrüpp konnten dort überleben.
Das Areal direkt unter den Bäumen
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