Sündenzeit
flackerte es?
Caer beobachtete weiterhin die Düsternis um sich herum, die sich verändernden Schatten, das natürliche Spiel zwischen Licht und Dunkelheit.
Sie besaß ein exzellentes Gehör, und nun strengte sie sich an, alles mitzubekommen.
Wieder ein Knarren.
Caer hielt die Luft an und horchte. Wartete.
Ein weiteres Knarren.
Ja. Jemand war auf der Treppe, er bewegte sich sehr langsam und vorsichtig. Warum das? Jeder in diesem Haus hatte das Recht, sich aufzuhalten, wo immer er wollte.
Trotzdem …
Sie war sich nun endgültig sicher, dass die Geräusche von der Treppe kamen. Ein Unheil verkündendes Gefühl machte sich in ihr breit, Angst überfiel sie. Langsam schob sie ihre Decke beiseite und stieg aus dem Bett.
Es war spät, aber so müde Zach sich auch fühlte, er konnte nicht schlafen. Eine Weile versuchte er es, dann gab er auf. Etwas machte ihm schon den ganzen Tag zu schaffen.
Eddie.
Warum war er an dem Tag der Einzige im Büro gewesen?
Cal hatte geschlafen, Marni war einkaufen. Doch beide hatten das mit einem schuldbewussten Unterton zugegeben. Als hätte man sie beim Schwänzen erwischt. Aber wenn an dem Tag nichts los gewesen war, brauchte sich keiner von den beiden deshalb etwas vorzuwerfen. Im Sommer gab es immer sehr viel zu tun, sodass sie ständig voll beschäftigt waren und jede Menge Extraarbeitsstunden absolvierten. Es gab keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie sich im Winter mal etwas mehr Freizeit gönnten.
Aber Eddie hatte angekündigt, noch etwas erledigen zu müssen. Cal wusste nicht, worum es sich gehandelt hatte. Deshalb hatte es wahrscheinlich nichts mit dem Geschäft zu tun. Warum war Eddie dann deshalb ins Büro gegangen?
Zach musste sich Eddies Geschäftscomputer näher ansehen. Vielleicht fand er aufgrund von Eddies Internetzugängen heraus, womit er sich beschäftigt hatte.
Zach stand wieder auf und zog sich warm an. Er wickelte sich einen Schal um den Hals, setzte seine Mütze auf und warf sich einen dicken Mantel über. Mitten in der Nacht war die Kälte hier beißend. Er drückte auf die winzige Taste seiner Uhr, um die Anzeige zu beleuchten. Erst zwölf. Nicht so spät. Er wäre früh genug wieder zurück.
Zach war schon an der Tür, als er stehen blieb.
Die Smith and Wesson .38 Spezial lag in seiner verschlossenen Aktentasche. Benötigte er die, wenn er um diese nachtschlafende Zeit ins Büro fuhr?
Verdammt noch mal, ja. Eddie war tot. Natürlich brauchte er seine Waffe.
Zach holte den Revolver, steckte ihn in den Hosenbund und verließ leise das Haus.
Daran sind diese ganzen Geschichten von Kobolden und Todesfeen schuld, dachte Kat.
Normalerweise fürchtete sie sich nicht im Dunkeln, auch nicht allein. So war es jedenfalls bisher gewesen.
Heute Nacht hätte sie aber schwören können, eine Banshee gehört zu haben.
Eine Banshee? Es hörte sich an, als würden Hunderte davon in der dunklen Nacht kreischen, schreien, klagen, jaulen. Es war der Wind, das wusste sie. Heute Nachmittag hatte er schon aufgefrischt und war seitdem ständig stärker geworden. Kein Regen, nur Wind.
Vielleicht kam ein richtiger Sturm auf. Vielleicht würde es ja sogar zu Weihnachten Schnee geben.
Die Schatten tanzten einen wilden Tango an ihrer Zimmerdecke. Das waren die Äste des Baumes draußen. Sie bogen sich im Wind. Damit beruhigte sie sich, doch das Heulen des Windes machte sie trotzdem nervös. Wie konnte so etwas Normales klingen, als wäre es ein einziger Schrei des Schreckens?
Das Gebäude selbst schien zu vibrieren. Als atmete es ein und aus.
Kat wälzte sich unruhig im Bett herum. Sie musste etwas Schlaf bekommen. Damit sie am nächsten Morgen wach und ausgeruht war und für die Sicherheit ihres Vaters sorgen konnte. Inzwischen ging es ihm gut, und immerhin war er jetzt wieder zu Hause. Nicht da drüben auf der anderen Seite des Atlantiks mit dieser Frau .
Die am Ende des Flurs im Schlafzimmer lag. In seinem Schlafzimmer. Die Frau, die er geheiratet hatte.
Zum hundertsten Mal hatte sie das Bedürfnis zu heulen. Ihr Vater war immer so klug und weise gewesen. Was hatte ihn nur dazu bewogen, ein Flittchen zu heiraten? Kat wünschte glauben zu können, dass Amanda tatsächlich so ein harmloses Dummchen war, wie sie schien. Der Inbegriff der unbedarften Blondine. Nein, das wäre nicht fair. Das war eine Beleidigung für alle Blondinen auf dieser Welt. Aber ehrlich mal … Ihr Vater war ein intelligenter Mann, der sich für Kultur und Bücher
Weitere Kostenlose Bücher