Sündenzeit
interessierte. Kat war sich nicht sicher, ob Amanda wusste, dass es noch andere Bücher außer Kaufhauskatalogen gab.
Plötzlich wurde sie durch eine Bewegung an ihrer Zimmerwand abgelenkt. Es sah aus, als würde ein riesiges Wesen mit Fledermausflügeln einen unheilvollen Schatten auf den Raum werfen. Kat überfiel nackte Angst, die sich wie eine eisige Kälte in ihr ausbreitete. Sie wagte es kaum, zu atmen.
Ein Flügelschlagen, Kratzen.
Erleichtert atmete sie aus. Es war nur die alte Eiche vor dem Fenster. Im Wind schlug ein Ast gegen die Scheibe. Durch das Licht der Außenbeleuchtung war dieser merkwürdige Schatten entstanden. Noch immer bog sich der riesige Baum im Sturm.
Warum bewegte sich aber der Schatten nicht mehr?
Dieser Gedanke ging ihr gerade durch den Kopf, als sie das Knarren auf der Treppe vernahm.
Sie stürzte sofort aus dem Bett und blieb wie erstarrt stehen. Da war jemand im Haus. Eddie war tot, ihren Vater hatte man vergiftet, und nun war jemand ins Haus eingedrungen!
Sie konnte nicht einfach hier vor dem Bett stehen bleiben und zittern. Zach schlief im Zimmer nebenan. Er hatte von Berufs wegen eine Waffe und konnte damit umgehen. Sie musste zu Zach hinübergehen, und zwar schnell.
Im ersten Moment war Kat unfähig, sich zu bewegen, vor Angst und Schrecken festgefroren auf der Stelle. Doch dann zwang sie sich, zur Tür zu gehen, wenn auch langsam und mit vor Entsetzen steifen Gliedern. Schließlich stand sie vor ihrer Tür und griff nach der Klinke. Der alte Metallgriff fühlte sich eisig an. Kat hätte schwören können, dass sie von einem merkwürdigen Nebel umgeben war. Als würde etwas Riesiges neben ihr atmen. Sie schluckte und öffnete die Tür.
Schritt für Schritt zwang sie sich weiterzugehen, über den Flur zu Zachs Zimmer. Irgendwie kam ihr der Abstand jetzt größer vor, und der Flur war kalt und erfüllt von diesem merkwürdigen Nebel. Wie Atemwolken in der kalten Luft. Sie hörte das Einatmen und Ausatmen. Begleitet von einem leisen Lachen. Es folgte ihr, während sie den Flur entlangging.
Oder es wartete da vorn auf sie. Sie war sich nicht sicher.
Kat kämpfte gegen das Entsetzen und die Furcht davor an, dass ihr etwas Ungreifbares, Unheimliches im Dunkeln auflauerte und drohte, sie zu überfallen. Sie glaubte nicht an Geister, glaubte nicht an Todesfeen, Voodoo oder Vampire.
Trotzdem …
Sie spürte etwas Bedrohliches, kalt wie der Tod. Als würde der Sensenmann im Dunkeln die Hand ausstrecken und sie ihr um den Hals legen.
Sie hätte sich am liebsten verkrochen. Plötzlich stellte sie sich vor, wie ein Totenkopf vor ihren Augen erschien. Wie er aus dem Nebel auf sie zukam, leise frohlockend lachend.
Endlich stand sie vor Zachs Zimmertür.
In dem Moment, als sie die Klinke umfasste, fühlte sie sich bereits stärker.
Sie drückte die Tür auf, konnte schon fast wieder normal atmen. Nein, ich werde nicht hysterisch, sagte sie sich. Ich werde ihm nicht aufgeregt erzählen, dass die Banshees draußen vorm Fenster heulen. Oder dass der Sensenmann auf dem Flur in ihrem Nacken geatmet hatte. Sie würde ihm ganz nüchtern und klar schildern, was los war.
Jemand war auf der Treppe.
„Zach?“, rief sie leise.
Keine Antwort. Im ersten Augenblick stieg wieder Panik in ihr auf. Es war bereits hier gewesen Es hatte Zach erwischt.
Bevor sie dem Drang zu fliehen nachgab, eilte sie zu seinem Bett hinüber. Irgendwo da draußen lauerte eine echte Gefahr. Eine Bedrohung für ihren Vater.
Sie streckte zitternd die Hand aus, fürchtete sich vor dem, was sie eventuell entdecken könnte.
Und dann wusste sie Bescheid.
Zach war gar nichts passiert.
Er war einfach nicht da.
Eddie hatte Dutzende von Websites zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg besucht und im wahrsten Sinne des Wortes Hunderte von Karten studiert. Keine große Überraschung, dachte Zach. Eddie und Sean hatten endlose Tage damit verbracht, die alten Kriegsgeschichten durchzukauen, und immer wieder an Veranstaltungen teilgenommen, bei denen die Geschichte an Ort und Stelle anschaulich rekonstruiert wurde.
Zach verfolgte etwa eine Stunde lang Eddies Spuren im Internet. Irgendwann verschwammen die Worte auf dem Bildschirm vor seinen Augen, und er schaltete den Computer aus.
Er verließ das Büro und stieg vorsichtig die Holzstufen hinunter.
Sie vereisten nachts manchmal.
Neben sich hörte er das Krachen der Wellen, das leise Klingeln der Glöckchen und der Metallketten an den Booten, die im heulenden Sturm
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