Sündige Seide: Roman (German Edition)
komme gleich wieder runter.«
Oben untersuchte er sein Gesicht im Badezimmerspiegel. Die Kratzer waren noch frisch, offen und blutig. Wie zum Teufel sollte er das seinem Stab und dem Wahlkampfkomitee erklären, von den Medien und den Wählern ganz zu schweigen? Ein Ast? Ein junges Kätzchen? Wer würde ihm das glauben?
Andererseits würde man ihn, um ihn zu überführen, der Lüge bezichtigen und Beweise vorbringen müssen. Worüber zerbrach er sich also den Kopf? Sie würden ihm glauben müssen, weil ihnen gar nichts anderes übrigblieb.
Er befürchtete nicht, daß Yasmine ihn den Nachrichtenhunden wie ein Stück rohes Fleisch zum Fraß vorwerfen könnte. Gut, sie hatte ihm einen ganz schönen Schrecken eingejagt, als sie ihn so angesehen hatte, daß ihm das Blut in den Adern gefroren war. Aber wenn sie sich erst abgekühlt hatte und wieder zur Vernunft gekommen war, würde sie ihre Rachepläne begraben. Immerhin liebte sie ihn. Ihre Liebe war ein Fluch gewesen, der sich nun als Segen erweisen konnte. Sie würde nichts tun, um seine politische Karriere zu zerstören, weil sie wahrscheinlich immer noch hoffte, eines Tages die Frau des Kongreßabgeordneten Petrie zu werden.
Außerdem war da noch ihr mächtiger Stolz. Sie konnte ihre Affäre nicht ausplaudern, ohne sich selbst lächerlich zu machen. Sie hatte genug damit zu tun, ihre Karriere wiederaufzubauen, ihr Unternehmen zu schützen und ihre Gläubiger hinzuhalten. Das letzte, was Yasmine wollte oder brauchte, war ein Skandal.
Ihre Vorwürfe konnte er vor der Öffentlichkeit abstreiten und sich hinter eine glückliche Ehe verschanzen. Er war sicher, daß Belle zu ihm hielt.
Nachdem er sich beruhigt hatte, ging er fast aufgekratzt wieder nach unten. Belle küßte ihn sanft und betrachtete mit Mitleidsmiene seine Wange. »Damit ist die Sache für uns erledigt«, erklärte sie, während sie ihm ein Glas mit gekühltem Weißwein reichte. »Erzähl mir, was du heute gemacht hast.« Sie servierte ihm ein leichtes Nachtmahl aus Krabbensalat auf Toasteckchen,
Seewolffilet, marinierten Cocktailtomaten und Brombeersorbet.
Sie tranken gerade Mokka, als etwas gegen ihr Eßzimmerfenster knallte. Es prallte mit einer solchen Wucht auf das Glas, daß die Panoramascheibe erbebte.
»Was zum Teufel war das?« Alister fuhr herum.
Belle schoß so schnell aus ihrem Stuhl hoch, daß er nach hinten fiel.
Alister starrte entsetzt auf das von Blut und Schleim verschmierte Fenster.
Belle preßte sich die Hand auf den Mund, um sich nicht zu übergeben.
»Jesus«, keuchte Alister. »Bleib drinnen.«
»Alister –«
»Bleib drinnen!«
Er war noch nie besonders mutig gewesen, deshalb trieb ihn eher die Wut als der Mut zur Vordertür hinaus und über den sorgsam gepflegten Rasen. Weiter unten auf der Straße hörte er Reifen quietschen, aber der Wagen war zu weit weg und es war zu dunkel, um ihn zu erkennen oder das Nummernschild zu lesen.
Ängstlich und vorsichtig pirschte er sich an das Eßzimmerfenster heran. Von dieser Seite sah das blutbesudelte Glas noch gespenstischer, noch echter aus. Er konnte das Blut riechen.
Er beugte sich über das Blumenbeet, um den Fleck genauer zu untersuchen, verlor das Gleichgewicht, fiel in das Gestrüpp unter dem Fenster und landete auf einem toten Huhn. Man hatte ihm die Kehle durchgeschnitten. Der Schnitt war frisch, tief und breit. Auf den Federn glänzte feucht das dunkle Blut. Der Kongreßabgeordnete stieß einen Schrei aus.
Voller Panik rappelte er sich auf, lief durch das Gestrüpp und taumelte die Vordertreppe hinauf. Sobald er drinnen war, knallte er die Tür zu und schob alle Riegel vor. Hastig tippte er den Alarmcode auf der Tafel ein.
Belle hatte sich von ihrem ersten Schrecken erholt und verlangte eine Erklärung. »Wer hat diese Sauerei auf unserem Fenster
angerichtet? Weißt du, wie schwer es ist, das wieder wegzukriegen?«
Am liebsten hätte er sie geschüttelt, bis ihre perlengleichen, weißen Zähne klapperten. »Verstehst du nicht, was das heißt? Sie will mich töten.«
»Wer?«
»Sie.«
»Deine ehemalige Geliebte?«
Er nickte und stotterte: »Sie . . . sie hat mich verflucht.«
»Um Himmels willen, Alister, reiß dich zusammen. Du machst dich lächerlich.«
Er schüttelte aufgeregt den Kopf.
»Das ist ein Fall für die Polizei.« Belle wandte sich, kühl wie immer, zum Telefon.
»Nein!« Er kam ihr mit einem Satz zuvor und riß das Kabel aus dem Wandstecker. »Nein.«
»Alister, du benimmst dich wirklich
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