Sündige Seide: Roman (German Edition)
Räucherstäbchen und Knochen und Schädel von verschiedenen Tieren.
Die Priesterin saß auf dem Königinnenthron neben dem Altar. Sie war sehr groß, und ihre gewaltigen Brüste ruhten auf einem Bauch, der sich aus mehreren Speckrollen zusammensetzte. Ihr riesiger Kopf steckte unter einem Turban. Dutzende Goldketten hingen um den dicken, kurzen Hals. An mindestens der Hälfte davon baumelten Glücksbringer, Medaillons und andere Amulette. Sie hatte Hände wie Baseballhandschuhe. An jedem Finger glitzerten mehrere Ringe. Sie hob eine riesige Pranke und winkte Yasmine zu sich.
Die Priesterin kam aus Haiti und war schwarz wie Ebenholz. Ihr breites, rundes Gesicht glänzte ölig und verschwitzt. Als
wäre sie in Trance, beobachtete sie ihre Besucherin schwerlidrig und schläfrig aus ihren kleinen Augen, die wie Onyxknöpfe strahlten.
Yasmine sprach sie mit mehr Erfurcht an als ein gläubiger Katholik einen Kardinal. »Ich brauche Ihre Hilfe.« Der fette Qualm aus den Räucherstäbchen wirkte berauschend. Yasmine fühlte sich leicht benommen, aber das war immer so, wenn sie dieser geheimen Welt der Schwarzen Magie einen Besuch abstattete. Dunkle Kräfte schienen von der Priesterin, ihren Requisiten und von den finsteren Schatten in jeder Ecke auszustrahlen.
Gedämpft und monoton erzählte Yasmine der Priesterin von ihrem Liebhaber. »Er hat mich zu oft belogen. Er ist böse. Er muß bestraft werden.«
Die Priesterin nickte weise. »Hast du etwas, das ihm gehört?«
»Ja.«
Die Priesterin hob eine beringte Hand, und eine Assistentin tauchte aus dem Nichts auf. Sie hielt Yasmine eine kleine Steingutschale hin. Yasmine kratzte die Hautfetzen und das getrocknete Blut unter ihren Fingernägeln hervor und legte die Partikel vorsichtig in die Schale. Als nächstes löste sie Alisters Haare, die immer noch um die Finger ihrer linken Hand geschlungen waren, und gab sie dazu.
Dann hob sie den Blick und sah die Priesterin an. Das Flackern der Kerzen spiegelte sich in ihren Mandelaugen und verlieh ihnen etwas Animalisches. Ihre Lippen bewegten sich kaum, aber ihre gezischte Botschaft war unmißverständlich. »Er soll leiden.«
Als Alister ihre neoklassizistische Villa am Ufer des Sees Pontchartrain betrat, erwartete ihn Belle in der Eingangshalle. Die Kinder waren schon früh ins Bett geschickt worden. Bevor die Haushälterin und Köchin nach Hause gegangen war, hatte sie den Eßtisch mit feinstem Porzellan gedeckt und die Schale darauf mit frischen Blumen versehen.
Belle trug einen Hausanzug aus lila Seide, der an ihren Beinen raschelte, als sie auf ihren Mann zuging und ihn begrüßte. »Mein Gott. War sie das?« Sie untersuchte die Kratzer auf seiner Wange, aber ihre Stimme klang keineswegs mitleidig, sondern nur überrascht.
»Zufrieden, Belle? Diese Kratzer sollten dir beweisen, daß ich mein Versprechen gehalten habe.«
»Du hast ihr gesagt, daß es endgültig vorbei ist und daß sie uns nicht mehr belästigen soll?«
»Ganz genau. Und dann hat sie mich angesprungen wie eine gottverdammte Panterin.«
Belles glänzender Pagenkopf blieb fest wie ein Helm, als sie leise schnalzte und den Kopf schüttelte. »Geh nach oben und tu dir Jod auf die Kratzer. Ich schenke währenddessen den Wein zum Essen ein.«
»Ich bin nicht hungrig.«
»Natürlich bist du hungrig, Liebling«, erklärte sie mit starrem Lächeln. »Nun lauf schon und verarzte dein Gesicht. Ich erwarte dich gleich wieder unten.«
Alister erkannte ihre Aufforderung als das, was sie war – ein Test, mit dem sie seinen Gehorsam auf die Probe stellte. In der für sie typischen subtilen Art setzte sie die Bedingungen fest, unter denen sie bei ihm bleiben, seinen Wahlkampf finanzieren und davon absehen würde, ihn als Ehebrecher und Lügner bloßzustellen. Von nun an würde sie in dieser Scharade als Autor, Produzent und Regisseur agieren. Wenn er die Hauptrolle spielen wollte, mußte er ihre Anweisungen bis ins Detail befolgen.
Was blieb ihm anderes übrig, als auf ihre Bedingungen einzugehen, so erniedrigend sie auch sein mochten? Eine Weile würde er mitspielen, auf jeden Fall bis nach der Wahl. Wenn er danach seine Affäre mit Yasmine wieder aufleben lassen oder etwas mit einem anderen Mädchen anfangen wollte, dann würde er das verdammt noch mal tun. Nur weil er einmal erwischt worden war, brauchte er nicht den Rest seines Lebens das kastrierte Schoßhündchen für Belle zu spielen. Im Augenblick war es allerdings klüger, so zu tun.
»Ich
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