Sündige Seide: Roman (German Edition)
anständig. Er hatte ein Verhältnis mit der Frau seines Vaters.«
Sie ließ den leisen Tadel nicht gelten, sondern verteidigte ihren Stiefbruder: »Auch Josh wurde von Jackson Wilde psychisch mißbraucht. Durch die Affäre mit Ariel hat er sich gerächt.«
»Und du hast dich gerächt, indem du ihn umgebracht hast.«
»Ich habe der Welt einen Dienst erwiesen, Cassidy. Ariel spielt die trauernde Witwe, aber durch Jacksons Tod hat sie alles erreicht, was sie wollte – sie ist genauso berühmt, wie er es gewesen ist. Und Josh ist von seinem Peiniger befreit.«
»Übertreibst du da nicht ein bißchen? Wilde hatte Josh schließlich nicht an die Kette gelegt.«
»Psychisch schon. Josh wollte Konzertpianist werden. Wild Jack hatte andere Pläne. Er brauchte einen Musiker, den man mit seiner Missionsgesellschaft identifizierte, deshalb machte er sich über Joshs Träume und sein angeblich mangelndes Talent lustig, bis Joshs Selbstvertrauen zerstört war. Irgendwann war er genau so, wie sein Vater ihn haben wollte.«
»Das hat dir Josh alles erzählt?«
»Er hat mir erzählt, daß er wieder klassische Musik studieren will, nachdem Ariel ihn aus der Organisation geworfen hat, genau wie er es sich immer erträumt hat. Den Rest habe ich mir ausgerechnet.«
»Was ist mit deiner Mutter?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Hat sie jemals Jackson Wilde mit Wild Jack Collins in Verbindung gebracht?«
»Nein. Gott sei Dank. Seine äußerliche Erscheinung muß sich in den letzten dreißig Jahren verändert haben. Du weißt, daß sie sich nicht lange konzentrieren kann. Selbst wenn sie ihn in
einem wachen Moment wiedererkannt hat, hat sie sich das nicht gemerkt.«
Cassidy zog die Brauen hoch und kniff skeptisch die Augen zusammen. »Claire, ich rate dir dringend, ohne einen Anwalt nichts mehr zu sagen.«
»Ich verzichte auf einen Anwalt, Cassidy. Ich habe vor einer ganzen Reihe von Zeugen ein Geständnis abgelegt. Ich habe nicht vor, es zu widerrufen. Ich sage dir alles, was du wissen willst. Obwohl«, fügte sie hinzu, »du das meiste schon erraten hast.«
»Wie meinst du das?«
»Du hast erraten, wie ich in Jackson Wildes Zimmer gekommen bin. Erinnerst du dich daran, wie wir den Weg durchs französische Viertel abgegangen sind, den ich in der Mordnacht genommen habe?«
»Heißt das, unser Gang war umsonst?«
»Nein, ich war in jener Nacht tatsächlich spazieren. Danach. Und als ich von meinem Spaziergang zu French Silk zurückkam, entdeckte ich, daß Mama fort war.«
»Durch einen bizarren Zufall war sie in der gleichen Nacht zum Fairmont gewandert.«
»Genau.«
»Ein ganz schöner Marsch für eine alte Dame.«
»Vielleicht hat sie den Bus genommen.«
Cassidy verkniff sich einen Kommentar. »Weiter«, sagte er. »Du wolltest mir erklären, wie du in Wildes Zimmer gekommen bist. Hat Andre den Retter in der Not gespielt?«
»Nein. Bestimmt nicht.« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Er ist völlig unschuldig. Was das betrifft, habe ich die Wahrheit gesagt. Niemand hat gewußt, was ich vorhatte.«
»Yasmine?«
»Nicht einmal sie. Ich war ganz allein. Ich könnte niemals einen Freund mit so etwas belasten.«
»Nein, natürlich nicht. Aber du kannst kaltblütig einen Mann ermorden.«
»Willst du es hören oder nicht?«
Cassidy sprang auf, daß die Teetassen klapperten. »Was zum Teufel glaubst du denn? Scheiße, nein, ich will es nicht hören«, brüllte er. »Und wenn du nur einen Funken Verstand hättest, würdest du sofort einen Anwalt anrufen, der dir den Rat geben würde, nicht mal ›Gesundheit‹ zu sagen, wenn ich niese.«
»Als wir im Café du Monde waren«, sagte sie, »hast du gemeint, der Mörder hätte in Wildes Suite auf ihn gewartet. Du hattest recht.«
»Ich will das nicht hören, Claire.«
Ohne auf seinen Rat zu achten, fuhr sie fort: »Ich habe im Gang gewartet. Als das Zimmermädchen reinging, um die Betten zu machen, habe ich mich in Wildes Suite geschlichen und im Schrank versteckt. Ich war fast eine Stunde da drin, bis er endlich kam.«
»Allein?«
»Ohne Ariel, genau. Er schaute eine Weile fern. Ich konnte es im Schrank hören. Er duschte, dann ging er zu Bett. Als ich ihn schnarchen hörte, habe ich mich auf Zehenspitzen in sein Zimmer geschlichen. Ich habe dreimal auf ihn geschossen.«
»Hast du mit ihm geredet?«
»Nein. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, ihn zu wecken. Ich wollte die Angst in seinen Augen sehen. Ich hätte ihm gern verraten, daß er durch die Hand seiner
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