Sündige Seide: Roman (German Edition)
Behörden, bevor man heiraten kann, weißt du?«
»Ach so«, sagte sie enttäuscht. Das hatte sie nicht gewußt. »Ich überlasse alles dir, Jack.«
Sie verabschiedeten sich ausgiebig, weil sie die Stunden der Trennung fürchteten. Mary Catherine ging nach Hause, schloß sich in ihrem Zimmer ein und schrieb mehrere Seiten ihres Tagebuchs voll. Sie konnte nicht einschlafen, weil ihr schlecht war – vor Aufregung und wegen ihrer Schwangerschaft. Also stellte sie sich vor ihren Schrank und überlegte, was sie tragen sollte, wenn sie vor ihren Bräutigam trat.
Kapitel 30
»Natürlich kam er nicht zum vereinbarten Treffpunkt.«
Die Schatten an der Küchenwand in Tante Laurels Haus waren lang geworden. Sie streckten sich über den runden Tisch, an dem Claire und Cassidy saßen, vor sich zwei Tassen mit kalt gewordenem Orangentee.
Claire redete leise; ihre Miene war melancholisch. »Erst glaubte Mama, daß sie vor lauter Aufregung Zeit oder Ort ihres Treffens durcheinandergebracht hätte. Sie ging zu ihm nach Hause, aber er war ausgezogen. Er hatte beim Verwalter keine neue Adresse hinterlassen und keinen Ton davon gesagt, wohin Gott ihn als nächstes schicken würde«, fügte sie sarkastisch hinzu. »Als eine Woche verstrich und Mama nichts von ihm hörte, wurde ihr klar, daß er sie um ihr Geld gebracht und sitzengelassen hatte.« Sie sah Cassidy an. »Noch etwas Tee?«
»Nein danke«, antwortete er grimmig.
Claire erzählte weiter: »Wild Jack Collins hatte sein Blatt geschickt ausgespielt. Als Mama erzählte, daß sie schwanger war, hätte er Hals über Kopf flüchten können. Aber dazu war er zu schlau. Bestimmt hatte er herausgefunden, daß die Laurents weitreichende Verbindungen besaßen. Immerhin hätte Mama ihm den Sheriff auf den Hals hetzen können. Er sah, daß es ratsam war, ihr statt dessen einen Heiratsantrag zu machen. Es klang alles so romantisch. Die heimliche Hochzeit. Die gemeinsame Flucht im Auftrag des Herrn. Vergiß nicht, Mama war eine gläubige Christin und glaubte an die Errettung der verlorenen Seelen. Aber sie war auch unglaublich naiv.«
Ihre Miene wurde kalt. »Wahrscheinlich hat Wild Jack bis zu
seinem Todestag – jenem Tag, an dem ich ihn ermordet habe – über sie gelacht und sich gratuliert, weil er ein so schlaues Kerlchen war. Falls er sich überhaupt noch an sie erinnerte. Wer weiß schon, wie viele junge Frauen er während der ersten Jahre seiner Missionsarbeit geschwängert hat?«
Cassidy schob energisch Teetasse und Untertasse beiseite und stemmte die Ellbogen auf den Tisch. »Woher weißt du das alles, Claire?«
»Aus Mamas Tagebuch. Sie hat alles genauestens dokumentiert – von dem Samstagmorgen an, als ihr Vater mit ihr ins Café du Monde ging und sie Jack Collins auf dem Platz predigen sah. Ich fand die Tagebücher, als Tante Laurel starb. Sie hatte sie weitergeführt, nachdem Mama nicht mehr dazu fähig war.«
»Sie wußte also von Anfang an, wer dein Vater war?«
Claire nickte. »Aber sie war die einzige. Als meiner Mutter klar wurde, daß sie betrogen worden war, ging sie zu meinen Eltern und beichtete ihnen, daß sie schwanger war.«
»Haben sie einen Versuch unternommen, Jack Collins zu schnappen?«
»Nein. Sie hat meinen Großeltern nie offenbart, wer ihr Liebhaber war, sondern immer so getan, als wäre es jemand aus ihrem elitären Bekanntenkreis. Nur Tante Laurel kannte die Wahrheit. Mama hatte sich ihr anvertraut. Deshalb begann Tante Laurel, Wild Jack Collins’ Aufstieg zu dokumentieren, als er Jahre später unter dem Namen Jackson Wilde als Fernsehprediger wiederauftauchte. Vermutlich hatte er seinen Namen geändert, um seine Spuren zu verwischen.
Offenbar wickelte er Joshs Mutter genauso ein wie meine. Sie stammte aus einer protestantischen Familie, die sich eher mit ihm abfinden konnten als eingefleischte Katholiken. Sie waren auch wesentlich wohlhabender als die Laurents. Eine solche Chance ließ er sich nicht entgehen. In ihren Aufzeichnungen deutete Tante Laurel an, daß er vermutlich das angeheiratete Vermögen benutzte, um seine Missionsgesellschaft ins Radio und Fernsehen zu bringen.«
»Dann wäre Josh also –«
»Mein Halbbruder«, fiel sie ihm mit sanftem Lächeln ins Wort.
»Deshalb wolltest du dich also mit ihm treffen.«
»Ich wollte sehen, ob er so ist wie unser Vater oder ein ehrlicher Mensch. Er ist schwach, aber soweit ich das nach einem kurzen Treffen beurteilen kann, hat er ein anständiges Wesen.«
»Nicht allzu
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