Sündige Seide: Roman (German Edition)
einmal daran erinnern, was heute morgen war, von dem, was vor mehreren Wochen passiert ist, ganz zu schweigen. Sie könnte Ihnen bestimmt keine glaubwürdige Antwort geben. Sie würden sie nur noch mehr verwirren, wenn Sie versuchen sollten, sie festzunageln und zu einer Antwort zu zwingen. Und das lasse ich nicht zu.«
»Sie können nicht erwarten, daß wir uns mit Ihrer dürftigen Antwort auf diese alles entscheidende Frage begnügen.«
»Ihnen bleibt nichts anderes übrig«, antwortete sie schaudernd, da er den Detective wieder erwähnt hatte. »Sie haben nichts als mein Wort. Ich war in dieser Nacht zu Hause.«
»Sie sind kein einziges Mal rausgegangen?«
Das harte Glitzern in seinen Augen ließ sie zögern. Nervös strich sie sich den Pony aus der Stirn. »Vielleicht. Aber wenn, dann nur kurz, weil ich Mama nicht lange allein lassen kann, vor allem nicht bei Nacht. Ganz ehrlich, Mr. Cassidy, ich weiß es nicht mehr. Es war eine ganz normale Nacht für mich.«
Er sah sie lange an und fragte dann: »Wo ist Yasmine?«
»Sie ist gestern nach New York zurückgeflogen.«
»Sind Sie und Yasmine ein Paar?«
Sie starrte ihn entgeistert an, mit offenem Mund und großen Augen. »Wie kommen Sie denn darauf?«
»Sind Sie ein Paar?« Als sie zu lachen begann, verdüsterte sich sein Gesicht. »Wilde hat auch die Angst vor Homosexuellen geschürt. Die Schwulen waren gar nicht gut auf ihn zu sprechen.«
»Ich verstehe. Sie meinen, er könnte in zweierlei Hinsicht mein Feind gewesen sein?« fragte sie amüsiert. »Ganz ehrlich, ich lache nicht über Sie, Mr. Cassidy. Ich stelle mir nur vor, wie Yasmine auf Ihre Frage reagiert hätte. Lesen sie keine Boulevardzeitungen? Sie hatte ganze Heerscharen von männlichen Geliebten, und sie hat ihren Ruf als Femme fatale eifrig kultiviert.«
»Es könnte Pose sein.«
»Ihr bräche das Herz, wenn sie das hören würde. Selbst wenn Sie mich für eine Lesbe hielten, wie konnten Sie jemals daran zweifeln, daß Yasmine heterosexuell ist?«
»Weil dieser Schuppen ein bißchen komisch ist, deshalb.«
»Schuppen?«
»Ihr Unternehmen.«
»Inwiefern?« fragte Claire. Sie war wirklich neugierig.
»Ich war zweimal hier und bin keinem Mann begegnet. Ich kenne Berufskiller, die vor der Amazone an Ihrer Pforte die Flucht ergreifen würden. Alle Angestellten, die mir begegnet sind, waren Frauen, von den Packerinnen angefangen bis zu den Gabelstaplerfahrerinnen. Was haben Sie gegen Männer?«
»Nichts.«
»Sind Sie verheiratet?«
»Nein.«
»Waren Sie es?«
»Nein.«
»Verlobt?«
Sie zögerte. »Nein.«
Er hob den Zeigefinger, als wollte er ihre Lüge damit aufspießen. »Versuchen Sie’s noch mal.«
Claire spürte, wie ihr Zorn aufflammte. »Haben Sie mich ausgeschnüffelt, Mr. Cassidy?«
»Das ist mein Beruf. Erzählen Sie mir von Ihrer Beziehung zu David Allen.«
»Sie Mistkerl! Haben Sie ihn belästigt?«
»Das brauchte ich nicht, aber ich werde es tun, wenn Sie nicht anfangen zu reden.«
Claire kochte innerlich, aber er hatte gewonnen. »Das ist schon lange her«, antwortete sie kurz. »Es war vor French Silk. Er wollte mich heiraten.«
»Was ist passiert?«
Sie wollte ihm schon sagen, daß ihn das nichts anging, überlegte es sich aber anders. Jede Feindseligkeit ihrerseits würde die Sache nur verschlimmern.
»David erwartete von mir, daß ich Mama in ein Heim gebe«, sagte sie leise. Sie senkte den Blick. »Das kam für mich nicht in Frage. Er stellte mir ein Ultimatum, deshalb gab ich ihm seinen Verlobungsring zurück.«
»Sie haben ihn weniger geliebt als Ihre Mutter?«
»Offenbar.«
»Und seitdem keine größeren Affären?«
»Wissen Sie das nicht?«
»Noch nicht. Ich kann weiterbohren, Sie können mir aber auch die Mühe und sich die Peinlichkeit ersparen und es mir einfach verraten.«
»Hat mein Privatleben etwas mit Ihren Ermittlungen zu tun?«
»Vielleicht. Das muß sich noch herausstellen.« Er setzte sich auf einen Barhocker und verschränkte die Arme.
Nachdem sie deutlich gemacht hatte, wie wenig ihr dieses Thema zusagte, meinte sie: »Seit der Sache mit David gab es ein paar kleinere Abenteuer, aber nichts Ernsthaftes. Zufrieden?«
»Fürs erste.« Er wandte den Blick ab und beschäftigte sich kurz mit den Ausschnitten auf der Theke. »Wo ist Ihr Vater, Miss Laurent?«
Claire verlagerte ihr Gewicht auf den anderen Fuß. »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Er starb, kurz nachdem ich geboren wurde.«
»Sie erinnern sich nicht an
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