Sündige Seide: Roman (German Edition)
reizbare Freundin verärgern würde. Statt dessen hörte sie ihr kehliges Lachen, das einen an Raubkatzen im Dschungel denken ließ. »Wohl kaum. Vergangenes Wochenende hat er mich so rangenommen...«
»Dann weiß ich nicht, worüber du dich beklagst.«
Yasmines Stimme klang gepreßt und nach Tränen. Claire hatte ihre Freundin noch nie weinen sehen, nicht einmal, nachdem die Kosmetikfirma sie durch eine anderes Mannequin ersetzt hatte. Damit hatten Yasmines finanzielle Probleme angefangen. Yasmine ahnte nicht, daß Claire von ihren Schwierigkeiten wußte. Claire hatte mit dem Gedanken gespielt, das Thema anzusprechen und ihr Unterstützung in Form eines Darlehens anzubieten. Aber sie kannte Yasmines Temperament und Stolz gut genug, um davon Abstand zu nehmen. Sie hoffte, daß Yasmine aus eigenem Antrieb zu ihr kommen würde, bevor es zu einer Katastrophe kam.
»Manchmal frage ich mich, ob er mich bloß deshalb will«, bekannte Yasmine kleinlaut. »Du weißt schon, wegen der Bettgeschichten.«
Claire hielt es für klüger, nichts zu sagen.
»Ich weiß, daß es nicht so ist«, beteuerte Yasmine eilig. »An unserer Beziehung ist viel mehr als nur Sex. Aber die beschissenen Umstände regen mich so auf.«
»Was ist passiert?«
»Er war diese Woche geschäftlich in Washington und hat mir versprochen, zwei Tage in New York anzuhängen. Aber seine Geschäfte haben länger gedauert, als er vermutet hat. Wir waren nur einen Tag zusammen.
Als er heute nachmittag wieder wegwollte, habe ich das Gefühl gehabt, das bringt mich um, Claire. Ich habe was gemacht, was ich besser gelassen hätte. Ich habe ihn angebettelt, nicht zu fahren. Er ist wütend geworden. Jetzt kann ich ihn nicht einmal anrufen und mich entschuldigen. Ich muß warten, bis er mich anruft.«
An ihrem Zeichentisch stützte Claire die Stirn in die Hand und massierte sich die Schläfen. Sie war besorgt und wütend zugleich. Alles, was man sich von dieser Affäre erhoffen konnte, war ein gebrochenes Herz. Yasmine hätte klug genug sein sollen, das einzusehen. Es war höchste Zeit, den Schaden zu begrenzen und sich nicht länger zum Narren zu machen. Aber das würde Yasmine genausowenig hören wollen wie jeden anderen unerbetenen Rat.
»Es tut mir leid, Yasmine«, meinte Claire aufrichtig. »Ich weiß, wie sehr du leidest, und das tut mir weh. Ich möchte, daß du glücklich bist. Ich wünschte, ich könnte irgendwas für dich tun.«
»Das tust du schon. Du hörst mir zu.« Sie schniefte. »So, jetzt reicht’s. Ich habe mich mit Leon zusammengesetzt und den Fahrplan für die Aufnahmen nächste Woche ausgearbeitet. Hast du was zum Schreiben?«
Claire legte sich Block und Stift zurecht. »Okay. Oh, warte«, unterbrach sie ungeduldig, als sie ein Piepen im Lautsprecher hörte. »Da ist jemand in der anderen Leitung. Einen Augenblick.« Sie drückte auf den Knopf und meldete sich. Sekunden später schaltete sie wieder um zu Yasmine. »Ich muß weg. Es ist wegen Mama.«
Yasmine wußte, daß sie das Gespräch nicht hinauszögern durfte. »Morgen«, sagte sie schnell und legte auf.
Claire rannte aus ihrem Büro und hastete die Treppe hinauf, statt auf den Aufzug zu warten. Kaum eine Minute später rannte sie die zwei Etagen zum Erdgeschoß hinunter. Während sie durch das dunkle Lager lief, zwängte sie die Arme durch die Ärmel eines schwarzglänzenden Regenmantels und setzte sich den dazugehörenden Hut auf.
Sobald die Riegel zurückgeschoben und das Arlarmsystem ausgeschaltet waren, riß sie die Tür auf – und wäre um ein Haar in Cassidy gerannt.
Mit gesenktem Kopf und klatschnassem Haar stand er im strömenden Regen. Der Kragen seines Trenchcoats war hochgeklappt, die Schultern waren zusammengezogen. Er hatte gerade die Hand nach der Klingel ausgestreckt. Es war schwer zu sagen, wer von beiden überraschter war, als sie voreinander standen.
»Was wollen Sie?« fragte Claire.
»Ich muß Sie sprechen.«
»Nicht jetzt.« Sie stellte die Alarmanlage ein, zog die Tür zu und verschloß sie. Sie lief an Cassidy vorbei und durch den Regen auf die Rückseite des Gebäudes zu. Seine Hand umklammerte ihren Oberarm und zwang sie, stehenzubleiben. »Lassen sie mich los«, schrie sie und versuchte sich zu befreien. »Ich muß weg.«
»Wohin?«
»Etwas erledigen.«
»Jetzt?«
»Jetzt .«
»Ich fahre Sie.«
»Nein!«
»Wohin wollen Sie?«
»Bitte, lassen Sie mich in Ruhe. Lassen Sie mich gehen.«
»Keinesfalls. Nicht ohne eine Erklärung.«
Ein Blitz
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