Sündige Seide: Roman (German Edition)
Cassidy vor einer kleinen, intimen Bar, die versteckt unter den historischen Pontalba-Apartments lag. An zwei Tischen draußen saßen Pärchen, die nur Augen füreinander hatten und vom Rest der Welt nichts mitbekamen. »Aber ich konnte frische Beignets riechen, deshalb. . .«
Sie deutete auf das Café du Monde. Am Straßenrand warteten sie auf eine Lücke im Verkehr. Ein einsamer Saxophonist spielte für Almosen, die ihm die Passanten in den auf dem Pflaster liegenden Hut warfen. Der Kutscher einer Touristenkalesche und ein Straßenporträtist, der seine Staffelei schon zusammengepackt hatte, ereiferten sich in aller Freundschaft über die Footballsaison.
»Ich finde, der Künstler hat recht«, bemerkte Claire. »Die Saints müssen ihre Angriffsreihe verstärken, wenn sie dieses Jahr in die Playoffs kommen wollen.«
»Sie haben die beiden verstanden?« fragte Cassidy.
»Sie nicht?« Die müde Mähre, die vor der Kutsche angeschirrt war, trug einen großen Srohhut mit knallrosa Plastikgeranien auf der Krempe. Claire streichelte ihr im Vorübergehen die Nase.
»Kein Wort. Nach meinem Umzug hierher bin ich mir fast ein Jahr lang wie im Ausland vorgekommen. Es dauerte eine Weile, bis sich meine Ohren an den Dialekt gewöhnt hatten. Manchmal hab’ ich immer noch Schwierigkeiten.«
»Sie haben keine Schwierigkeiten, mich zu verstehen.«
»Sie, Claire, kann ich am allerwenigsten verstehen.«
Sie wies auf einen Tisch auf der Terrasse vor dem Cafe du Monde. Sie nahmen dran Platz, und ein Ober mit langer weißer Schürze kam auf sie zu, die Hände in einer Willkommensgeste ausgestreckt.
»Miss Laurent, bonsoir . Wie schön, Sie zu sehen.«
»Merci«, antwortete sie, während er ihr die Hand küßte.
»Und das ist?« Er sah fragend auf Cassidy.
Sie stellte ihn Claude, dem Ober, vor. »Einmal Beignets bitte, Claude. Und zwei Café au lait.«
»Sehr wohl«, bestätigte er und verschwand in Richtung Küche.
»Offensichtlich kommen Sie öfter her«, stellte Cassidy fest.
»Es ist fast immer voller Touristen, aber Mama gefällt es trotzdem, deshalb komme ich mindestens einmal pro Woche mit ihr hierher.«
Claude brachte ihre Bestellung. Der Hefegeruch der Krapfen, gepaart mit dem Kaffeearoma, ließ Claire das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sie griff zu und leckte sich ungezwungen den Puderzucker von den Fingern. Als sie Cassidy ansah, mußte sie über den Puderzuckerring um seinen Mund lachen und reichte ihm eine Papierserviette aus dem Spender auf dem Tisch.
Sie verdrückten die Beignets, teilten sich das dritte und nippten dann schweigend an dem heißen Milchkaffee. Claire genoß es, einfach nur dazusitzen und New Orleans von seiner schönsten Seite zu genießen. Viel zu schnell wurde Cassidy wieder amtlich.
»Wie lange«, begann er, »waren Sie damals hier?«
»Vielleicht eine halbe Stunde, würde ich sagen.«
Er zog eine Braue hoch. »So lange?«
»Wir sind hier im Vieux Carré, Cassidy, hier lebt man langsamer. Wenn Sie die Canal Street überqueren, sollten Sie die amerikanische Hektik hinter sich lassen und Ihr Leben genießen. Ich habe mir eine zweite Portion Beignets versagt, aber ich habe zwei Tassen Café au lait getrunken und für jede mindestens zehn Minuten gebraucht.«
Auf ihre Bitte hin ersetzte Claude ihre leeren Tassen durch zwei volle. Claire schaute in den Dampf, der von ihrer Tasse aufstieg, und sagte: »Mir ging in dieser Nacht viel durch den Kopf. Mir machte nicht nur Jackson Wilde zu schaffen.«
»Was noch?«
»Mama. Ich weiß nicht, wer sich um sie kümmern soll, wenn mir etwas zustößt. Wenn ich zum Beispiel ins Gefängnis müßte.« Sie sah ihn eindringlich an und schaute dann wieder in den Kaffee, den sie in der dicken, weißen Tasse kreisen ließ. »Und ich machte mir Gedanken über den neuen Katalog. Ich versuche, den neuesten immer ein bißchen besser als den letzten zu machen, und ich habe Angst, daß mir irgendwann die Ideen ausgehen.«
»Eine Angst, die unter kreativen Menschen weit verbreitet ist.«
»Wahrscheinlich. Und ich machte mir Sorgen um Yasmine.«
»Warum?«
»Das ist vertraulich.« Ihr Blick warnte ihn davor, weiterzubohren und sie damit zum Verrat an ihrer Freundin zu provozieren, aber er unterließ es.
»Ein ordentlicher Spaziergang.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und streckte die langen Beine aus. Die alten Jeans saßen gut, umschmiegten sein Geschlecht und spannten sich über seinen Schenkeln. Claire versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was
Weitere Kostenlose Bücher