Sündige Seide: Roman (German Edition)
einfach darauf gebaut, daß Jackson allein zu Bett gehen würde.«
»Wilde gefielen meine Kataloge nicht, deshalb wetterte er von der Kanzel aus gegen mich. Mir gefielen seine Predigten nicht, deshalb habe ich ihn umgebracht. Kurz gesagt halten sie mich für noch intoleranter und radikaler als Jackson Wilde. Sie stellen mich auf eine Ebene mit den Verrückten, die bei mir anrufen und mir Morddrohungen an den Kopf werfen.«
Cassidy reagierte, als hätte sie ihm eins übergebraten. »Sie haben Morddrohungen bekommen? Davon haben Sie mir nichts gesagt.«
Das hatte sie auch nicht vorgehabt. Sie hätte sich die Zunge abbeißen können. »Telefonische Morddrohungen kann man nicht ernst nehmen.«
Er schien anderer Meinung zu sein. Seine Augen suchten die Umgebung ab, als könnte irgendwo im Schatten ein Attentäter lauern. »Wir sind seit mindestens einer halben Stunde da«, sagte
er im Aufstehen. »Gehen wir.« Er rückte ihr den Stuhl zurück, ging dann zum Bürgersteig und blieb erst stehen, als er merkte, daß sie ihm nicht gefolgt war. »Was ist denn?« rief er über die Schulter zurück.
»Ich habe noch einen Abstecher gemacht, bevor ich damals nach Hause ging. Da entlang«, sagte sie mit einer Kopfbewegung zum Fluß hin.
Er kam zu ihr zurück. »Gehen Sie vor.« Sie gingen an dem Militärdenkmal vorbei, hinter dem der gepflasterte Deichweg, Moonwalk genannt, verlief. Unter ihnen schwappten leise die Flußwellen gegen die Kiesel, obwohl im Augenblick kein Verkehr auf dem Wasser war. Die Lichter vom gegenüberliegenden Ufer funkelten im Wasser, das leicht nach Salz, Petroleum und Schlamm roch. Eine feuchte Brise ging; Claire genoß das Gefühl auf ihrem Gesicht und in ihren Haaren. Sie war warm und sanft, so wie alles Gute am Süden.
Der Moonwalk war beliebt bei den Touristen mit ihren Kameras, bei den Bettlern, Huren, Betrunkenen und Liebenden. In dieser Nacht genossen nur wenige den Ausblick. Als sie an einem schmusenden Paar auf einer Parkbank vorbeikamen, verzerrte sich Cassidys Miene vor Zorn. »Warum helfen Sie mir nicht und gestehen?«
»Selbst wenn ich es nicht getan habe?«
»Dann bitte nicht. Von der Sorte haben wir schon genug. Es haben schon vier Spinner angerufen und Wildes Tod auf ihre Kappe genommen.«
»Sie sind ein echter Kavalier.«
»Diese vier sind chronische Selbstbezichtiger«, verteidigte er sich. »Wir überprüfen sie routinemäßig, aber keiner von ihnen war in der Mordnacht in der Nähe des Fairmont.« In stillem Einverständnis blieben sie stehen und schauten auf den Fluß. Nach einer Weile drehte er sich zu ihr um. Ohne jede Vorrede erklärte er: »Im Gericht gibt es eine Sachbearbeiterin. Vorgestern nacht hat sie mich nach Hause eingeladen – auf eine Portion Spaghetti und eine Runde Sex.«
Er sah sie aufmerksam an, wartete auf eine Reaktion. Nach
einer langen Pause sagte sie: »Jedenfalls nimmt sie kein Blatt vor den Mund.«
»Also, das mit dem Sex hat sie nur angedeutet.«
»Ich verstehe. Sind Sie hingegangen?«
»Ja.«
»Ach. Und wie war’s?«
»Großartig. Wir hatten Muschel-Tomaten-Soße.«
Erst war sie verdattert, dann begriff sie, daß er witzig sein wollte. Sie versuchte zu lachen, merkte aber, daß sie es nicht komisch fand, wenn er mit anderen Frauen schlief.
»Die Spaghetti waren sensationell«, sagte er. »Der Sex war so lala.«
»Wie enttäuschend für Sie«, bemerkte Claire zynisch.
Er zuckte mit den Achseln. »Und ein paar Nächte davor habe ich mit meiner Nachbarin geschlafen. Eine Mordsrammelei, aber ich weiß immer noch nicht, wie sie heißt.«
Claire verlor die Beherrschung. »Wollen Sie mich mit Ihren sexuellen Heldentaten beeindrucken? Ich bin kein Priester. Sie brauchen mir nichts zu beichten.«
»Ich dachte nur, das würde Sie vielleicht interessieren.«
»Nun, es interessiert mich nicht. Warum sollte es?«
Er zog sie unvermittelt an sich und nahm ihren Kopf zwischen beide Hände. »Weil wir beide bis zum Hals in der Scheiße stecken; das wissen Sie so gut wie ich.«
Dann küßte er sie.
Kapitel 13
Claire zu küssen war besser, als mit einem Dutzend anderer Frauen zu schlafen. Ihr Mund war warm und süß und weich; am liebsten hätte er sie noch tausend Jahre mit seiner Zunge liebkost. Aber das ging nicht, deshalb ließ er sie los und trat einen Schritt zurück.
Ihr Atem ging ein bißchen schwerer, ihre Lippen glänzten feucht und standen offen, aber ansonsten wirkte sie vollkommen gefaßt. Sie beherrschte es meisterhaft, ihre Gefühle
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