Sündige Seide: Roman (German Edition)
Rose freute sie noch. Sie hatte sie so fest an ihre Brust gedrückt, daß sie schon zu welken begann.
Schließlich brachte sie die Kraft auf, sich an die Kommode zu stellen und ihr Spiegelbild anzustarren. Teilnahmslos musterte sie ihr Gesicht, dann fragte sie: »Warum zum Teufel tust du dir das an, du blöde Kuh?«
Es war ungerecht. Alister war auf einer Party, lachte, trank Champagner und tanzte, umgeben von Menschen, die ihn für einen Wahnsinnskerl hielten. Und sie war hier: Yasmine, die Göttin der Laufstege und Zeitschriften, hockte allein in ihrem Zimmer und weinte. »Was stimmt nicht mit diesem Gesicht?« fragte sie ihr Spiegelbild.
Männer waren Schweine. Alle Männer. Angefangen von ihrem Vater, der ihre Mutter verlassen hatte, als Yasmine noch in den Windeln lag, bis zu ihrem derzeitigen Geliebten waren sie erbärmliche, dreckige, schmierige Hurenböcke, die sich fast nie für ihre Taten zu rechtfertigen brauchten. Fast nie mußten sie die Zeche zahlen.
Natürlich gab es Ausnahmen. Alle heiligen Zeiten bekam einer, was er verdiente. So wie Jackson Wilde.
Claire räumte den Tisch ab, als sie Mary Catherine aufschreien hörte. Sie ließ den Schwamm in die Spüle fallen und rannte aus der Küche ins Wohnzimmer. Mary Catherine saß in einem Sessel und las die Abendausgabe der Times Picayune. Ihr Gesicht war leichenblaß. Ihre Hände zitterten.
»Mama!« rief Claire erschrocken. »Was ist denn?« Sie lief zu Mary Catherine und fing die Zeitung auf, die ihrer Mutter aus den reglosen Händen rutschte. »Mein Gott«, flüsterte Claire, nachdem sie die ersten Absätze des Leitartikels gelesen hatte. Dann ließ sie sich auf die Armlehne des Sessels sinken, in dem ihre Mutter saß.
»Glaubt Mr. Cassidy, daß du Reverend Wilde umgebracht hast, Claire?«
»Er tut nur seine Pflicht, Mama.«
»Hat er dich geküßt?«
»Was macht das für einen Unterschied?« fragte Claire bitter. »In der Zeitung steht, daß er es getan hat.«
Mary Catherine schlug die Hände vors Gesicht. »Das ist alles meine Schuld. Du mußt für meine Sünden büßen. Wenn ich nicht gesündigt hätte –«
»Schluß damit, Mama!« Claire zerrte ihrer Mutter die Hände vom verweinten Gesicht. »Du warst jung. Du warst verliebt und hast ihm vertraut. Du hast nicht gesündigt. Man hat sich gegen dich versündigt.«
»Aber in der Zeitung steht, deine Erziehung sei schuld daran, daß du den Staatsanwalt betören würdest, damit er dich in Ruhe läßt. Ach Claire, es tut mir so leid. Ich wollte doch nicht, daß man dich für das verurteilt, was ich getan habe.«
»Das hier«, erklärte Claire und deutete auf die Zeitung, »ist das Werk einer gemeinen, bösen, haßerfüllten Frau. Ariel Wilde versucht, mich schlechtzumachen, um von sich selbst abzulenken. Mrs. Wilde kennt weder dich noch mich. Was kümmert es uns, was sie von uns denkt? Soll sie doch glauben, was sie will.«
»Aber die Leute, Mr. Cassidy . . .«Ihre Miene verriet, wie sehr sie sich quälte. Leise und gepreßt flüsterte sie: »Wenn er mich nur geholt hätte, wie er versprochen hatte. Ich war da, pünktlich und mit all meinen Sachen. Ich bin ganz sicher, daß wir uns an dem Tag treffen wollten. Aber er kam nicht, und –«
»Hör zu, Mama.« Claire kniete hastig vor dem Sessel nieder und nahm Mary Catherines Hände. »Mir kommt gerade eine wunderbare Idee. Warum fährst du nicht morgen mit uns nach Mississippi?«
»Mississippi?«
»Ja. Wir machen Urlaub. Würde es dir nicht gefallen, ein paar Tage zu verreisen?« Mary Catherines verängstigte Miene entspannte sich. Claire hakte nach: »Harry kann mitkommen und dir Gesellschaft leisten, während ich arbeite. Bitte komm mit. Ich hätte dich so gern dabei.«
Geschmeichelt und schüchtern legte sich Mary Catherine die Hand auf den Hals wie ein Mauerblümchen, das gerade zum Tanz aufgefordert worden war. »Also, Claire Louise, wenn du mich wirklich brauchst...«
»Das tue ich, Mama.« Claire stand auf und half Mary Catherine aus dem Sessel. Die Zeitung schubste sie außer Sichtweite. »Such dir schon mal aus, was du mitnehmen willst. Ich rufe Harry an, damit sie heute nacht hier schläft. Wir fahren gleich morgen früh. Ich habe einen Kleinbus gemietet, Platz haben wir also genug. Wir frühstücken irgendwo unterwegs. Ach, ich freue mich schon so! Wir sind schon ewig nicht mehr zusammen verreist.«
»Ja, ewig«, bestätigte Mary Catherine, bevor sie aus dem Zimmer schwebte. »Ich nehme das neue Cocktailkleid
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