Sündige Seide: Roman (German Edition)
dem Nacken.
Es waren vier Mannequins und zwei männliche Modelle. Yasmine hatte sie schon für frühere Katalogaufnahmen engagiert. Sie waren eine gesellige Gruppe, und sie sprachen sich nur mit dem Vornamen an – Felicia, Dana, Liz und Alison. Sie waren jung, sexy und sahen fantastisch aus. Kurt, der dunkle, düstere Typ, trug sein seidiges schwarzes Haar schulterlang. Er spielte den schlanken Europäer oder den gefährlichen, wilden Draufgänger. Der andere Mann, Paul, war blond und blauäugig. Er verkörperte die netten Jungs von nebenan und den vornehmen Yuppie.
Die Stylistin, die für die Garderobe zuständig war, kannte man in der ganzen Modewelt nur als Rue. Sie war in den mittleren Jahren und hatte ein hartes Gesicht und eine Stimme wie ein Zementmischer. Nie sah man sie ohne eine schwarze, stinkende Zigarette im Mundwinkel.
Die Maskenbildnerin war eine ruhige Asiatin mit porzellanheller Haut und ausdrucksvollem Rehblick. Die Friseuse hatte ihr Haar millimeterkurz geschnitten, trug aber Ohrringe, die ihr bis auf die Brust baumelten.
Leons Assistent war ein schüchterner junger Mann, rund und rosig wie ein Neugeborenes, der kaum etwas sagte und immer in Leons Schatten blieb.
»Vielleicht sollten wir uns erst mal einrichten«, schlug Claire vor. »Sobald alle ausgepackt haben, möchte ich mit Leon und Yasmine die Aufnahmeliste durchgehen.«
Die Monteiths riefen zwei Pagen herbei, die das Gepäck nach oben brachten. Bevor sich die Gruppe in alle Richtungen zerstreute, rief Claire über den Lärm hinweg: »Vor dem Essen sollen alle Models zur Anprobe im Winnebago erscheinen. Rue hat eure Sachen schon gekennzeichnet.«
Die Models trennten sich in Zweiergruppen. Claire wußte nicht, wer bei wem schlief und wollte das auch gar nicht wissen. Zuviel Klatsch konnte sich negativ auf die Arbeit auswirken. Wenn sich während ihres Aufenthaltes irgendwelche Minidramen abspielen sollten, dann wollte sie nichts davon erfahren. Mary Catherine teilte sich ihr Zimmer mit Harry. Leon und sein Assistent waren in einem Zimmer untergebracht. Claire und Yasmine wohnten zusammen. Rue, die Friseuse und die Visagistin wollten im Winnebago schlafen. Das traf sich. Andernfalls wäre kein Zimmer für ihre Mutter und Harry frei gewesen.
Sie war froh, sich auf ihre Arbeit konzentrieren zu können und keine Angst haben zu müssen, daß Cassidy ihre Mutter verhörte. Auch deshalb hatte sie Mary Catherine aus New Orleans weggebracht.
Kapitel 15
Claire war früh aufgestanden und besprach beim Kaffee mit Leon, Rue und Yasmine die Aufnahmen, die an diesem Tag gemacht werden sollten. »Was hältst du davon, eine Innenaufnahme mit dieser altmodischen Frisierkommode zu machen?« fragte sie Yasmine.
Yasmine war begeistert. »Wir können das Model von hinten vor dem Spiegel fotografieren, während man im Spiegel sieht, wie ein Kerl durch die Balkontür reinschaut. Wenn wir die Gardine vorziehen, ist nur seine Silhouette zu erkennen.«
»Die Aufnahme wäre wie geschaffen für den rückenfreien BH, den Sie entworfen haben, Claire«, erklärte Rue zwischen zwei rasselnden Hustenanfällen.
»Leon?«
»Klingt fantastisch. Aber wir sollten die Innenaufnahmen machen, wenn es bewölkt ist. Ich will diesen irrsinnigen Sonnenschein so lange wie möglich ausnutzen.«
Das Wetter war ganz nach Leons Wunsch, und sie kamen gut mit den Aufnahmen voran.
»Nach dem Lunch machen wir weiter«, rief Claire den anderen zu, während sich alle über die Vordertreppe in den kühlen Schatten der Veranda schleppten, wo Agnes Monteith mit einem schnurlosen Telefon wartete.
»Ein Anruf für Sie, Miss Laurent. Ein Mr. Cassidy. Ich habe ihm gesagt, daß wir gerade zu Mittag essen, aber er ließ sich nicht abwimmeln.«
»Nein, natürlich nicht.« Stirnrunzelnd nahm Claire das Telefon entgegen, aber sie sprach erst, als alle im Haus waren. »Hallo, Cassidy.«
»Wie ist Mississippi?«
»Heiß.«
»Bestimmt nicht heißer als New Orleans.«
»Ach?«
»Tun Sie nicht so unschuldig. Crowder heizt mir höllisch ein.«
»Wegen diesem Artikel?«
»Sie haben ihn gelesen?«
»Bevor ich abgefahren bin. Ariel Wilde hält mich für ein echtes Flittchen, wie?«
»Soviel Lärm um einen kleinen Kuß.«
Es war keineswegs nur »ein kleiner Kuß« gewesen, aber Claire beließ es dabei. »Sie hätten die Konsequenzen bedenken sollen, ehe Sie mich geküßt haben.«
»Das habe ich. Damals waren mir die Konsequenzen vollkommen egal.«
Claire sank in den nächsten Rohrstuhl.
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