Sündige Seide: Roman (German Edition)
Verteidigung untermauerte. Ich sorgte dafür, daß die Jury den Busen nicht übersah. Mein Gott.«
Er rieb sich die Augen im Versuch, das verstörende Bild der schluchzenden jungen Frau loszuwerden, die er im Zeugenstand zum zweiten Mal ausgezogen und vergewaltigt hatte. »Ich habe sie gedemütigt, ihren Ruf ruiniert und sie zu einer Nymphomanin gemacht, die an den Falschen geraten ist und mehr gekriegt hat, als sie haben wollte. Die Geschworenen fielen auf mein Theater rein und sprachen den Schweinehund frei.«
»Sie haben Ihren Job gemacht«, bemerkte Tony.
»Das entschuldigt nichts.«
»Viele Juristen würden Ihnen auf die Schulter klopfen und Sie um den Erfolg beneiden.«
»Erfolg? Indem ich die Jury beeinflußt und meine Rolle als Verteidiger mißbraucht habe?«
»Sie haben sich hinreißen lassen«, beschwichtigte Tony. »Wie lange ist das her, fünf Jahre oder mehr? Lassen Sie’s gut sein, Cassidy. Verzeihen Sie sich diesen einen Fehler.«
»Vielleicht könnte ich das, wenn das alles wäre.«
»O Gott.« Crowder ließ sich zurücksinken und rechnete mit dem Schlimmsten.
»Zwei Wochen nach dem Freispruch lockte mein Klient eine Elfjährige vom Schulhof und fuhr mit ihr an eine verlassene Stelle im Stadtpark; dort mißhandelte er sie, vergewaltigte sie und erwürgte sie mit ihrem Trainings-BH. Und das sind nur die Verbrechen, für die es eine Bezeichnung gibt. Was er noch mit ihr gemacht hat, war – ist – unaussprechlich.«
Crowder wartete ein paar Sekunden in angespannter Stille. »Danach haben Sie Ihre Kanzlei geschlossen.«
Cassidy wandte sich vom Fenster ab und seinem Vorgesetzten zu. »Ich habe das Büro geschlossen, alles aufgegeben, meine Frau von der Last befreit, mit mir verheiratet zu sein, und die Stadt verlassen. Damals bin ich hierhergekommen.«
»Wo Sie verdammt gute Arbeit geleistet haben. Sie sind eine echte Bereicherung für uns.«
Cassidy zuckte die Achseln. Er bezweifelte, jemals das Gefühl, versagt zu haben, loszuwerden. Kein gewonnener Fall konnte den Tod des kleinen Mädchens aufwiegen.
»Ich werde meine Pflichten nie wieder vernachlässigen, Tony. Ich werde mir keinen Psychopathen mehr durch die Finger schlüpfen lassen und keinen Mörder oder Vergewaltiger mehr auf die Menschen loslassen, die immer noch ein vollkommen unberechtigtes Vertrauen in uns und die Justiz setzen.«
»Das Vertrauen ist nicht immer unberechtigt. Ab und zu schnappen wir auch einen Bösewicht.«
Cassidy legte seine ganze Überzeugungskraft in seinen Blick.
»Ich werde Sie nicht enttäuschen, Tony, weil ich mich selbst nicht enttäuschen darf. Ich schwöre Ihnen, daß ich Wildes Mörder kriege, ganz gleich, wer es ist.«
Tony kaute auf seiner Unterlippe. »Also gut, ich gebe Ihnen noch ein paar Wochen«, erklärte er ungeduldig. »Aber denken Sie daran – ihr Kopf liegt auf dem Richtblock, und der Henker hat schon ausgeholt.«
»Ich habe verstanden.« Nachdem die Angelegenheit geklärt war, sah Cassidy keinen Grund, noch länger zu bleiben. Überschwengliche Dankbarkeitsbezeugungen wären ihnen beiden nur unangenehm gewesen.
Er ging zur Tür, aber Crowder pfiff ihn zurück. »Cassidy, eine Frage noch. Falls Sie tatsächlich die beweiskräftige Verbindung zwischen Claire Laurent und dem Mord finden, werden Sie dann die Anklage vertreten, selbst wenn Sie Miss Laurent damit lebenslänglich hinter Gitter bringen würden?«
Cassidy prüfte sich gewissenhaft, aber die Antwort stand bereits fest: »Auf jeden Fall. Ich hätte nicht die geringsten Skrupel.«
Als er das Büro verließ, schwor er sich, das Versprechen zu halten, das er Claire, Tony und sich selbst gegeben hatte. Auf gar keinen Fall würde er sich von persönlichen Interessen davon abhalten lassen, seine Pflicht zu tun.
Er verließ das Gebäude der Staatsanwaltschaft und verschwand auf der anderen Straßenseite in der Polizeizentrale. Howard Glenn saß hinter einem abgewetzten, überquellenden Schreibtisch, hatte die Lehne zurückgekippt und einen Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt. Cassidy blieb vor dem Schreibtisch stehen und bohrte seinen Blick in Glenn.
»Wir sprechen später weiter«, sagte Glenn in den Hörer und legte auf.
Cassidy sagte: »Wenn Sie noch mal was an mir auszusetzen haben, dann petzen Sie nicht. Kommen Sie damit zu mir. Von Mann zu Mann. Ich würde es bei Ihnen nicht anders machen.«
»Ich dachte, mein Vorgesetzter –«
»Sie haben sich geirrt«, unterbrach ihn Cassidy knapp. »Ich habe meine
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