Sündige Seide: Roman (German Edition)
eine Fachkraft bezahlt, die das Haus vom Speicher bis zum Keller umgestaltet hat.«
»Diese Fachkraft hat gute Arbeit geleistet«, bekannte Claire, nachdem sie sich im geräumigen Foyer umgesehen hatte. Das Haus war zu einer echten Südstaatenvilla herausgeputzt worden.
Während sie Claires Kreditkarte durch den Automaten zog, erklärte Agnes: »Sie können gleich auf Ihre Zimmer. In der Küche gibt es immer Saft, kalte Getränke, Obst und Kekse, falls jemand das Essen verpaßt. Frühstück wird zwischen sieben und halb neun serviert, aber auch danach steht eine Thermoskanne mit Kaffee auf der Anrichte im Speiseraum. Zum Lunch servieren wir ein kaltes Büffet. Tee und kleine Sandwichs können Sie zwischen halb vier und fünf Uhr bekommen. Die Bar öffnet um fünf, aber abgesehen von dem Wein zum Abendessen müssen alle Alkoholika extra bezahlt werden. Man muß sich die Drinks selber mixen, und wir verlassen uns darauf, daß unsere Gäste über ihren Verbrauch selbst Buch führen. Das Dinner wird pünktlich um halb acht serviert.«
Claire mochte die beiden und hoffte, daß niemand aus der Crew ihre Gastfreundschaft und Offenherzigkeit ausnützen würde. »Wir werden versuchen, uns an die Zeiten zu halten«, antwortete sie. »Ich wäre Ihnen aber sehr verbunden, wenn Sie flexibel reagieren könnten, falls wir uns etwas verspäten.«
»Natürlich, meine Liebe. Sie sind unsere ersten ›geschäftlichen Gäste‹. Wir sind schrecklich aufgeregt. Nur eines hätte uns noch besser gefallen – wenn hier ein Film gedreht würde«, sprudelte Agnes hervor.
»Und wir lieben Ihren Katalog«, bekannte Grace. »Wenn er mit der Post kommt, streiten wir uns jedesmal, wer ihn zuerst anschauen darf.«
»Das freut mich.« Claire war froh, daß endlich ein Lächeln angebracht war. Sie hätte keine Sekunde länger ernst bleiben
können. »Ihr Haus wird einen wunderschönen Hintergrund für unsere Fotos abgeben.«
Sie war begeistert, seit sie vom Highway abgebogen und der Schotterallee nach Rosesharon gefolgt waren. Der Herbst stand kurz bevor, aber der Rasen und die Blumenbeete um das Haus wirkten noch frisch und grün. Weiße Gartenmöbel standen im Schatten der ausladenden Bäume.
Das Haus selbst sah aus wie eine Hochzeitstorte. Die Ziegel waren in blassem Hellrosa getüncht. Die sechs korinthischen Säulen waren, wie alle anderen Verzierungen auch, weiß gestrichen. Eine breite Veranda verlief rings ums Haus, überschattet von einer Galerie im ersten Stock. Claire war sehr zufrieden mit Yasmines Wahl.
»Wir wollen, daß Sie sich hier wohl fühlen«, meinte Grace.
»Vergessen Sie nicht, wir sind hier zu Hause, und Sie sind unsere Gäste. Alles steht zu Ihrer Verfügung.«
Eine Bewegung auf der Veranda lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Eingangstür. Ein kleiner, drahtiger junger Mann in weißem Leinenanzug und gelbem Polohemd riß die Fliegentür auf und betrat mit großer Geste die Bühne des Geschehens.
»Claire!« rief er aus, als er sie sah. »Mein Gott, das ist einfach irrsinnig. Liebling!« Er küßte sie auf beide Wangen und hielt gleich darauf den Lichtmesser, der an einer schwarzen Kordel um seinen Hals hing, vor ihr Gesicht, um die Werte abzulesen.
»Ach, das wird einfach wundervoll. Ich kann gar nicht erwarten, daß wir endlich anfangen, es sei denn, diese mörderische Hitze bringt mich vorher um. Wie können Sie hier nur leben? Aber das Haus ist wirklich grandios. Yasmine hat mir das zwar versichert, aber ihr wißt ja, wie dieses Miststück immer übertreibt.«
Leon war einer der begehrtesten Modefotografen in New York. Seine Extravaganz wurde einzig von seinen Fähigkeiten mit Licht und Linse in den Schatten gestellt. Wenn er nicht gerade einen Wutanfall hatte oder gemeinen Tratsch verbreitete, war er recht amüsant.
Leon redete immer noch. »Diese Treppe ist der Wahnsinn. Stell
dir vor, ein Model lagert darauf wie kurz vor einer Ohnmacht.« Er posierte selbst. »Die Augen auf Halbmast, du weiß schon. Ich schieße von oben. Am besten am Spätnachmittag, damit das Licht auf die richtigen Stellen fällt. Ja, ja.« Er klatschte in die Hände. »Das Haar aufgefächert auf den Stufen. Ein paar feuchte Strähnen auf der Wange. O Gott, ich krieg’ schon eine Gänsehaut, wenn ich es mir nur vorstelle.«
Die übrigen aus der Mannschaft trudelten ein und ließen sich wie geschlagene Soldaten in die Sessel fallen. »Mein Gott, ist das heiß«, schnaufte ein Mannequin und hob sich die blonden, strähnigen Haare aus
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