Suendiger Hauch
Jedes Mal, wenn sie sich vorstellte, mit einem anderen Mann als dem Marquis of Litchfield verheiratet zu sein, was sie würde tun müssen, um sich nicht neuerlich ihrem habgierigen Onkel auszuliefern. Sie würde alt genug sein, um ohne seine Einwilligung heiraten zu können, doch bis zur Vollendung ihres vierundzwanzigsten Lebensjahres würde sie unter seiner Vormundschaft stehen, wenn sie unverheiratet blieb.
Sie dachte an den Earl und fragte sich, was er unternehmen würde, nachdem ihr Vermögen in die Hände des Marquis und seines Rechtsberaters Nathaniel Whitley übergehen würde. Die Papiere waren vorbereitet, und insgeheim hoffte sie, dass ihr Onkel sich bereits vor Zorn und Sorge krümmte. Wenn er aufgrund seiner beschränkten Finanzen praktisch mittellos dastand, dann sollte es so sein. Das Einzige, was sie in dieser Hinsicht noch kümmerte, war ihre Cousine Muriel, eine Schachfigur in den Händen ihres tyrannischen Vaters.
Vielleicht sollte sie mit Lucien sprechen, ob das Mädchen nicht eine monatliche Zuwendung und eine angemessene Mitgift bekommen sollte.
Doch abgesehen davon, empfand sie keinerlei Mitleid für den Earl of Dunstan, im Gegenteil, sie war sich sicher, er würde eines Tages in der Hölle schmoren.
Douglas Roth, der Earl of Dunstan, saß hinter seinem Schreibtisch in dem exquisiteingerichteten Arbeitszimmer in Milford Park. Im Laufe der Jahre hatte er den maskulinen, mit Eichenpaneelen ausgestatteten Raum, der früher einmal dem Earl of Milford gehört hatte, immer mehr als seinen persönlichen Besitz betrachtet, ebenso wie all die anderen Güter. Jahrelang hatte er sich vorgestellt, wie es sein würde, sein Leben in dem Komfort und dem Luxus des parkähnlichen Anwesens zu verbringen, das ihm seinen Namen verliehen hatte.
Doch stattdessen würde er dank seiner willensstarken, intriganten Nichte bald wie ein Stück Abfall aus dem Haus geworfen werden. Er würde für sich selbst und seine Tochter sorgen müssen, doch da er das meiste Geld, das er zuvor aus ihrem Vermögen entnommen hatte, um seinen ausschweifenden Lebensstil zu finanzieren, ausgegeben hatte, wäre er nicht allzu lange in der Lage dazu.
Douglas biss die Zähne zusammen, und seine Finger krallten sich um das Schriftstück, das er gerade gelesen hatte, und zerknüllten es. So etwas durfte nicht geschehen, schwor er sich. Er würde nicht zulassen, dass dieses kleine hinterhältige Luder seine Pläne einfach durchkreuzte.
Als das erwartete Klopfen an der Tür zu hören war, erhob sich Douglas von seinem Stuhl und ging zur Tür. Der Mann in der Halle begrüßte ihn mit einer knappen Verbeugung, ging an ihm vorbei in das Arbeitszimmer und nahm auf einem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz, während Douglas sich auf seinen Stuhl dahinter setzte.
»Nun, Sie wissen, was ich hören will«, sagte Douglas, ohne viel Zeit auf eine Einführung zu verschwenden. »Was haben Sie erreicht?«
Evan Sloan, sein Grundstücksverwalter, ein hagerer Mann mit hartem Gesicht, Hakennase und sandbraunem Haar, lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ich habe ein Geschäft mit dem Teufel gemacht, könnte man sagen.« Sloan stand bereits seit Jahren in Dunstans Diensten und war von unschätzbarem Wert für ihn, sowohl im Hinblick auf die Verwaltung seiner Grundstücke - Kathryns Grundstücke, korrigierte er sich im Geiste - als auch bei der Erledigung etlicher persönlicher Anliegen.
Und er war ausgesprochen loyal, was nicht weiter erstaunlich war, wenn man bedachte, was Douglas ihm jeden Monat bezahlte und dass er ihm zu einem angenehmen Leben in einem großen, komfortablen Landhaus am Rande seiner Ländereien verholfen hatte.
»Ein Geschäft mit dem Teufel, was? Und welche Art von Geschäft soll das sein?«
Sloan legte die Hände gegeneinander. »Ich habe eine großzügige Belohnung für das zufällige Ableben des Marquis of Litchfield ausgeschrieben.«
Douglas schoss von seinem Stuhl hoch. »Heiliger Himmel, Mann, sind Sie verrückt geworden? Damit hetzen Sie ihm halb England auf den Hals. Wenn irgendjemand herausfindet, dass ich darin verwickelt bin ...«
»Das wird niemand«, antwortete Sloan großspurig. »Außerdem sind nur zwei Männer eingeweiht. Einer davon hat bereits einen Versuch unternommen. Vermeintliche Räuber haben sich mit ihm vor der Quill and Sword Taverne in der Nähe von Castle Running eine Schlägerei geliefert, leider vergeblich. Der zweite Mann ist praktischerweise ein Bediensteter des Marquis. Er hat uns versichert, dass
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