Suendiger Hauch
irgendeiner Weise verletzt —«
»Nein, nein, nichts Derartiges. Es ist wirklich albern. Männer machen Frauen seit jeher Avancen. Ich sollte mich geschmeichelt fühlen. Wenn es um einen anderen Mann gehen würde, wäre ich das vielleicht auch gewesen, aber ... nun, ich nehme an, ich dachte, dieser spezielle Mann sei anders. Vielleicht hat mich diese Tatsache, dass er es nicht ist, so beschäftigt.«
»Es gibt zahlreiche Männer, die dich anziehend finden, Tante Winnie. Du bist eine sehr schöne Frau.«
Eine leichte Röte zog sich über ihre Wangen. »Danke«, sagte sie schlicht.
Er lächelte ein wenig. »Vielleicht konnte ... dieser Mann, wer er auch immer sein mag, einfach nicht anders.«
Winnie grub die Finger in den Stoff ihres hübschen blauen Kleides und wandte ihren Blick ab. »Er ist verheiratet.«
Lucien legte die Stirn in Falten. »Verheiratet? Einen Augenblick lang dachte ich, wir würden von Nathaniel Whitley sprechen, da er offensichtlich sehr viel für dich empfindet, aber da Whitley nicht verheiratet ist ...«
Winnie setzte sich mit einem Ruck auf, während sich ihr Gesicht vor Zorn rötete. »Natürlich ist er verheiratet. Nat hat Emma geheiratet, zwei Jahre nachdem er und ich ... Das heißt, Nathaniel ist mit seiner Frau seit beinahe zwanzig Jahren verheiratet.«
Lucien, der langsam zu verstehen begann, konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Emma ist vor zwei Jahren gestorben, Winnie. Ich dachte, du wüsstest das. Ich bin sicher, dass Nat auch davon ausgegangen ist. Du bist ja erst seit sechs Monaten hier im Schloss, aber da Nat und du früher bekannt gewesen seid, ging ich davon aus, dass du von Emmas Tod gehört hast.«
»Emma ist ... Emma ist tot?« Winnie stand mit zitternden Beinen auf. Ihre Teetasse hatte sie inzwischen völlig vergessen.
»Ja, so Leid es mir tut.«
Sie wandte sich um und starrte in den Garten hinaus, ohne wirklich etwas zu erkennen. Ihre Hände hatten sich in ihrem Rock verkrallt, und Lucien sah, dass sie zitterten. »Wenn Emma tot ist, ist Nathaniel ja folglich Witwer.«
»Das stimmt. Emmas Tod hat ihm großen Kummer bereitet, aber im Laufe der Zeit hat er sich wieder ein wenig gefangen.«
»Nathaniel sagte ...« Sie schluckte, noch immer aus dem Fenster starrend. »Nat hat ein ... gewisses Interesse an mir ...
in Hinblick auf eine Partnerschaft mit mir bekundet. Ich dachte, er würde mir ein unmoralisches Angebot machen. Ich dachte ...« Sie wandte sich ihm wieder zu und Lucien sah Tränen in ihren Augen glitzern. »Ich habe ihn auf eine ziemlich rüde Art und Weise zurückgewiesen. Oh, lieber Gott, was habe ich nur getan?«
Winnie ging in Richtung Tür. Erst als sie sie öffnen wollte, fiel ihr auf, dass Lucien sie erstaunt betrachtete. »Es tut mir Leid. Ich fürchte, ich muss weg, aber es gibt etwas sehr Wichtiges, worum ich mich in der Stadt kümmern muss.«
Er setzte seine Teetasse ab und erhob sich. »Ja ... das verstehe ich. Ich werde die notwendigen Vorkehrungen treffen lassen. Du kannst mit deiner Zofe bereits in den frühen Morgenstunden aufbrechen.«
Er trat neben sie, und Winnie wischte sich die Tränen von den Wangen. »Ich würde lieber schon heute fahren, wenn es dir nichts ausmacht. Ich kann innerhalb einer Stunde reisefertig sein.«
»Das ist keine gute Idee, Tante Winnie. Es wird dunkel sein, wenn du in London ankommst. Es wäre mir lieber, du würdest warten.«
Sie griff nach seiner Hand. »Bitte, Lucien. Ich muss gehen. Ich bitte dich, nicht zu versuchen, mich aufzuhalten.«
Er hatte sie noch nie zuvor so aufgelöst gesehen. Offenbar war mehr an der Geschichte, als sie ihm erzählte, doch was auch immer es war, vielleicht würde ihr die Reise nach London helfen, die Angelegenheit ins Reine zu bringen und wieder die Alte zu werden. Er nickte. »Ein paar meiner Männer sollen dich begleiten. Du kannst fahren, sobald du fertig gepackt hast.«
Winnie drückte seine Hand. »Danke.« Sie wandte sich um und eilte zur Tür.
Lucien sah ihr nach, noch immer ein wenig besorgt, doch gleichzeitig froh, dass er zur Lösung des Missverständnisses zwischen seiner Tante und Nat Whitley beitragen konnte. Er ordnete an, dass die Kutsche vorgefahren wurde, und sah sie erst wieder, als sie bereits durch die Tür gegangen war und auf halber Höhe der Eingangstreppe stand.
Lucien folgte ihr auf die Veranda hinaus. »Ich wünsche dir eine gute Reise und erwarte dich Ende dieser Woche zurück.«
Winnie winkte lächelnd und ging die Treppe hinab.
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