Suendiger Hauch
stellen könnten, würden wir uns bestimmt beide sehr viel wohler fühlen.«
Für einen Moment ließ er seinen Blick auf ihr ruhen. Er schien ihre Worte abzuwägen und über den Kontrast zwischen ihrer kultivierten Sprache und ihrem heruntergekommenen Äußeren nachzudenken. Kathryn sah ihn ebenfalls an und konnte nicht umhin, seine wohlgeformten Gesichtszüge und seine breitschultrige, schmalhüftige Gestalt zur Kenntnis zu nehmen. Was sie sah, war ein ausgesprochen gut aussehender Mann, der jedoch eine gewisse Härte ausstrahlte, eine Härte, die sie instinktiv veranlasste, auf der Hut zu sein.
»Nun gut, Miss Gray, Sie sollen Ihr Bad bekommen.« Er wandte sich an einen Butler mit langer Nase, der nur einige Schritte von ihnen entfernt stand. »Rufen Sie Mrs. Pendergass, Reeves. Veranlassen Sie, dass sie sich um die junge Lady kümmert und sie dann wieder herunterbringt.«
Er wandte sich erneut an Kathryn. »Ich erwarte Sie in meinem Arbeitszimmer.« Seine dunklen Augen musterten sie scharf. »Und ich warne Sie, Miss Gray, sollte sich herausstellen, dass Ihre Geschichte gelogen ist, werde ich dafür sorgen, dass Sie sich wie ein Stück Abfall auf der Straße wiederfinden. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
Ein leichter Schauer durchrieselte sie. »Ja, Mylord. Durchaus verständlich.« Er nickte und wandte sich zum Gehen. »Mylord?«
»Ja, Miss Gray«, seufzte er ärgerlich.
»Ich furchte, ich kenne Ihren Namen nicht.«
Eine Augenbraue hob sich zu einem eleganten Schwung. »Lucien Raphael Montaine, fünfter Marquis of Litchfield, zu Ihren Diensten.« Der Anflug eines spöttischen Lächelns spielte um seine Lippen. »Willkommen in Castle Running.«
Er wandte sich um und entfernte sich. Dieses Mal hielt sie ihn nicht auf. Einige Sekunden später erschien Mrs. Pendergass, die Hauswirtschafterin, und brachte sie in ein elegantes Schlafzimmer im oberen Stockwerk. Ungeachtet des missbilligenden Blickes der drallen Hauswirtschafterin trat Kathryn hinter den Wandschirm und erleichterte sich mit einem tiefen Seufzer.
Anschließend trat sie ans Fenster, das den Blick auf den unter ihr liegenden Schlosshof freigab, und wartete, während ihr Bad vorbereitet wurde. Das Schloss war wunderschön, ein mehrere Jahrhunderte alter Bau mit zahlreichen Zinnen und einer größtenteils noch erhaltenen Außenmauer, die in früheren Zeiten als Burgfried gedient haben musste.
Das Gebäude selbst machte einen äußerst gepflegten Eindruck. Das Schlafzimmer, das man ihr zugewiesen hatte, war in Königsblau und Elfenbein gehalten und mit elegantem orientalischen Mobiliar ausgestattet. Der Marquis verfügte ganz offensichtlich über einen erlesenen Geschmack.
Plötzlich durchbrach die Stimme der Hauswirtschafterin ihre Gedanken.
»Ihr Bad ist vorbereitet. Ich weiß nicht, wer Sie sind oder wie Sie es angestellt haben, sich Seiner Lordschaft derart aufzudrängen, aber ich rate Ihnen, nicht zu versuchen, daraus irgendwelche Vorteile zu ziehen. Seine Mildtätigkeit rührt von seiner Höflichkeit her und keineswegs von Schwäche. Das sollten Sie sich besser merken.«
Sie würde es sich merken, so viel stand fest. Ein Blick in jene harten, dunklen Augen genügte ihr, um sich vorstellen zu können, wie weit er von Schwäche entfernt war.
»An Ihrer Stelle würde ich nicht allzu lange bleiben«, fuhr die Frau fort. »Seiner Lordschaft würde das nicht sehr gefallen.« Und du willst ihn nicht wütend sehen, dachte Kathryn, behielt ihre Gedanken jedoch für sich.
Sie nahm die Warnung schweigend zur Kenntnis, während sie ihr schmutziges Nachtgewand abstreifte. Gott sei Dank, war es ihr eigenes Nachthemd und nicht eines der Gewänder aus dem Hospital, die im Nacken von einem breiten roten Band zusammengehalten wurden. Sie empfand kaum den Hauch von Scham, als sie nackt das Zimmer durchquerte, in die dampfende Kupferwanne stieg und sich mit einem wohligen Seufzer der Wärme hingab, die ihren schmerzenden, verschmutzten Körper umfing und in eine Wolke intensiven Rosenduftes hüllte. Lächelnd ließ sie sich gegen das Metall sinken und gab sich vollständig der Freude hin, die dieses Bad im Vergleich zu den monatlichen Waschprozeduren bot, die sie im St. Bart’s über sich hatte ergehen lassen müssen.
Mrs. Pendergass verließ das Badezimmer, während sie sich mit der duftenden Rosenseife den Schmutz aus dem Haar wusch, es sorgfältig ausspülte und erneut einschäumte. Schon bald würde sie die geliehene Kleidung, die ihr die
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