Suendiger Hauch
es mir zu leihen.«
Er runzelte die Stirn. Er konnte sich nicht vorstellen, warum sie sich einem derart vulgären Zeitvertreib hingab. Wäre sie tatsächlich seine Frau, würde er diesem Treiben rasch ein Ende setzen, dachte er stirnrunzelnd.
»Und Sie, Mylord?«
Sein Kopf wandte sich ihr zu. Er war auf dem Weg nach London, um seiner Mätresse einen Besuch abzustatten, doch das konnte er ihr wohl kaum sagen. Er hatte lange genug unter seiner Leidenschaft für Kathryn gelitten. Er wollte sich mit einer warmen, willigen Frau vergnügen, und zwar je schneller, umso besser. »Ich habe einige geschäftliche Dinge in London zu erledigen und werde nicht vor Ende der Woche zurück sein.«
Wenn sie seine Abreise bedauerte, ließ sie es sich zumindest nicht anmerken, und aus irgendeinem seltsamen Grund ärgerte er sich darüber. »Ich bin sicher, dass Sie sich während meiner Abwesenheit nicht langweilen werden - es sei denn, Sie möchten mich begleiten«, fügte er boshaft hinzu, in der Gewissheit, dass sie nach den Vorkommnissen der vergangenen Nacht zweifellos ablehnen würde.
»Ich - ich bin sicher, ich wäre Ihnen nur im Weg«, erwiderte sie mit einem schnellen Blick aus dem Fenster.
Er nippte an seiner heißen Schokolade, fühlte, wie sein Magen rumorte, und stellte die Tasse wieder ab. »Vielleicht haben Sie Recht. In jedem Fall sehe ich Sie bei meiner Ankunft wieder.«
Sie gab ihm keine Antwort. Einige Sekunden später entschuldigte er sich und verließ den Raum, um nach oben zu gehen und seinen Kammerdiener anzuweisen, seinen Koffer für die Reise zu packen.
Er konnte in der Kutsche schlafen, damit das Pochen in seinem Kopf aufhörte, und sobald er bei Anna war, würde er zu seinem Vergnügen kommen. Anna Quintain war eine ebenso schöne wie begabte Liebhaberin, und er hatte sich vorgenommen, sie hart und oft zu nehmen, bis sämtliche Gedanken an Kathryn ausgelöscht waren. Er war sicher, dass es funktionieren würde. Der einfachste Weg, um über das Verlangen nach einer Frau hinwegzukommen, war, sie durch eine andere Frau zu ersetzen.
Und genau das hatte Lucien vor.
Was früher einmal eine Schießscharte gewesen war, diente jetzt im Großen Salon, Kathryns Lieblingsraum im Schloss, als Fenster, an dem sie nun stand und beobachtete, wie der Marquis in die Kutsche der Litchfields stieg. Ihr Herz war von tiefer Traurigkeit erfüllt. Als er mit dem mit einem Silberknauf versehenen Gehstock gegen das Dach pochte, um dem Kutscher das Zeichen zur Abfahrt zu geben, fühlte sie ein schmerzhaftes Ziehen in ihrer Brust.
Es war unschicklich für einen Bräutigam, seine Frau am Tag nach der Hochzeit allein zu lassen, doch Lucien kümmerte es nicht, ob der Schein in Bezug auf ihre Heirat gewahrt blieb. In Anbetracht der Tatsache, dass diese Ehe ohnehin in weniger als einem Jahr beendet sein würde, war es wahrscheinlich auch besser so.
Dennoch, trotz seines Verhaltens in der vergangenen Nacht, fühlte sie sich ohne ihn allein und verlassen. Sie hatte inzwischen ihre Furcht vor ihm verloren, denn so wütend der Marquis auch gewesen war, er hatte ihr keinen Schmerz zugefügt. Und an diesem Morgen war ihr die Reue, die in seinen Augen gestanden hatte, nicht verborgen geblieben.
Sie versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, dass es besser war, dass er weg war und dass sie nicht bei jeder Begegnung mit ihm diesen Schmerz in ihrem Herzen würde erdulden müssen. Vielleicht würde sie die Erinnerung daran vergessen, wie unsagbar wütend er ausgesehen hatte, als er mit aufgelöstem Haar und offenem Hemd das Schlafzimmer betreten hatte, und wie sehr sie, eine Sekunde, bevor sie in seine harten Augen geblickt hatte, sich gewünscht hatte, dass er sie nahm.
Kathryn ging hinüber zu dem großen Steinkamin, der groß genug für fünf erwachsene Männer war. Sie konnte sich an den Stolz in Luciens Stimme erinnern, als er ihr von seinem Schloss erzählt hatte und davon, wie Edward III. es seinen Vorfahren als Lohn für ihre Dienste für den König geschenkt hatte.
Sie fragte sich, was er wohl in London zu tun hatte, während ein Teil von ihr bedauerte, dass sie seiner Einladung nicht gefolgt war. Sie vermisste ihn schon jetzt, und wenn sie mit ihm nach London gefahren wäre, hätte sie den kleinen Michael besuchen können. Allein der Gedanke an eine Rückkehr ins St. Bart’s verursachte ihr Übelkeit, doch für Michael hätte sie es zweifellos getan.
Ein dutzend Mal seit ihrer Flucht aus der Anstalt hatte sie an den Jungen
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