Suendiger Hauch
was sie ihm angetan hatte.
Doch stattdessen hatte er sich umgedreht, sie auf den Scheitel geküsst und sich aus ihren Armen befreit.
»Schlaf ein wenig«, hatte er gesagt. »Morgen früh wird dein Körper wund sein.«
Zuvor hatte sie sich gesagt, dass er ihr lediglich nicht wehtun wollte. Doch nun, da sie auf den leeren Platz neben sich im Bett starrte, fiel ihr die leichte Anspannung wieder ein, die in seinen Zügen gelegen hatte, und das Aufblitzen von etwas, das sie nicht in seinen schwarzen, silbrig schimmernden Augen hatte lesen können.
Ihr Ehemann war fort, und sie war unglücklich. Über Stunden lag Kathryn zwischen den Laken und wünschte sich, der Tag würde dämmern und gleichzeitig, dass er es nicht tun würde. Sie wünschte sich, sie könnte ihn sehen und würde seine Gedanken kennen. Sie wünschte sich, sie müsste ihm nie wieder ins Gesicht sehen und sich an die intimen Dinge erinnern, die sie miteinander geteilt hatten.
Schließlich kroch langsam der Tag durch ihre Fenster, und Kathryn erhob mühsam ihren wunden, schmerzenden Körper aus dem Bett. Sie wählte ein schlichtes burgunderfarbenes Wollkleid, rief Fanny, ihr beim Ankleiden zu helfen und ihr das Haar aufzustecken, bevor sie schließlich nach unten ging. Welche Schwierigkeiten ihre Unbesonnenheit auch verursacht haben mochte, sie würde sich mit ihnen auseinandersetzen müssen, und zwar je früher, desto besser.
Kathryn betrat das Frühstückszimmer im hinteren Teil des Hauses, in der Hoffnung, auf Lucien zu treffen, doch außer Tante Winnie war niemand dort. Die schlanke blonde Frau starrte nachdenklich, sogar fast melancholisch, aus dem Fenster, und Kathryn fragte sich, was in diesem Augenblick in ihrem Kopf vorging.
Doch sie hatte keine Zeit, ihr diese Frage zu stellen, denn in dem Augenblick, als Winnie sie sah, war der Moment auch schon vorüber.
»Du siehst erschöpft aus, meine Liebe«, sagte sie besorgt. Doch dann erhellte ein Lächeln ihre Züge. »Ah, ich nehme an, das war zu erwarten. Den Bedürfnissen eines Mannes wie meinem Neffen zu begegnen, würde jede normal sterbliche Frau mehr als in Anspruch nehmen.«
Kathryn errötete tief. »Woher ... wie konntest du das wissen?« Gütiger Himmel, sah sie etwa anders aus als gestern? Konnte Tante Winnie die Intimitäten erraten, die sie mit dem Marquis geteilt hatte?
Doch Winnie lachte nur. »Liebe Güte, Kind, wenn ein Mann die Schlafzimmertür seiner Frau zertrümmert, dann hatte er wohl etwas mehr vor, als sich mit ihr zu unterhalten.«
Vielleicht war das der Fall, doch wenn sie an die Art und Weise dachte, wie er sie verlassen hatte, keimte in ihr der schreckliche Verdacht, dass er seine Ziele nicht erreicht hatte. Denn wenn sie ihm gefallen hätte, dann hätte er sie doch ein zweites Mal lieben wollen.
Kathryn setzte sich gegenüber von Winnie an den Tisch, woraufhin ein Diener ihr eine Auswahl von Speisen servierte, die sie nie im Leben würde essen können. Gebratene Eier, Fasanenbraten, eine Scheibe Gloucester-Käse und ein Stück frisch gebackenes Brot. Kathryn steckte versuchsweise ein wenig davon in den Mund, doch es schmeckte samt und sonders wie Pappe.
Sie stocherte eine Weile auf ihrem Teller herum. »Weißt du, wohin der Marquis gegangen ist?«, fragte sie in einem Ton, von dem sie hoffte, dass er unbekümmert klang.
Winnies helle Augenbrauen hoben sich. »Warum, ich dachte er sei bei dir ... zumindest, bis du herabgekommen bist. Willst du damit sagen, dass ihr die Nacht nicht zusammen verbracht habt?«
»Nein, er ... nein«, flüsterte sie, kaum in der Lage, die Worte auszusprechen.
»Oh, mein Liebes.« Tante Winnie setzte ein gezwungen aufmunterndes Lächeln auf, das Kathryn jedoch keine Sekunde lang zu täuschen vermochte. »Nun, wahrscheinlich hat er ein paar wichtige Angelegenheiten zu erledigen, vielleicht ein Treffen mit einem seiner Pächter. Du kennst ihn doch. Alles muss nach seinen Vorstellungen verlaufen.«
Aber seine »Hochzeitsnacht« war offenbar alles andere als nach seinen Vorstellungen verlaufen, und Lucien bereute sie mit Sicherheit bereits. Kathryn versuchte, etwas von den Eiern zu essen, doch sie waren kalt und schmeckten so fettig, dass sie ihr im Hals stecken blieben. Sie schob ihren nahezu unberührten Teller beiseite und legte ihre Serviette auf den Tisch zurück.
»Ich hoffe, du bist mir nicht böse, Tante Winnie, aber ich fühle mich nicht wohl. Ich bin sicher, es ist nichts Ernstes, vielleicht ein wenig zu viel ...
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