Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
noch im Tanz des Todes.
Sie schrie entsetzt auf.
Es war ihr Mann.
Es war Rickie de Guignard.
6
Von aufkommender Panik überrollt riss Emma die Augen auf und starrte nach oben.
Sie lag auf einem Bett mit sauberen Laken, feiner Bettdecke mit Daunen und Brokatvorhängen. Der Raum war klein, aber hübsch ausgestattet. Auf dem Boden lagen Teppiche, es gab eine Truhe, und darüber hing ein Spiegel. Neben dem Bett stand ein Tischchen mit Waschschüssel und einem Wasserkrug. Helles Nachmittagssonnenlicht strömte durch die offenen Fenster, und von draußen konnte sie das Zwitschern der Vögel hören.
Sie wusste nicht, wo sie war.
Sie wusste nicht, wie sie hierhergekommen war.
Sie hob den Arm und schaute auf den weißen Ärmel, der mit Spitze am Ärmelaufschlag verziert war. Dann tastete sie nach ihrem Hals, wo Knöpfe ein Nachthemd verschlossen.
Dies war nicht ihr Nachthemd. Es war viel zu hübsch, um ihr Nachthemd zu sein.
Offensichtlich war sie gestorben und direkt in den Himmel aufgestiegen.
Aber nein, das war unmöglich. Denn im Himmel wäre sie nicht mit dem dringenden Bedürfnis zu pinkeln aufgewacht.
Sie setzte sich abrupt auf.
Das ließ nur einen Schluss zu. Schließlich war doch noch eingetreten, was sie immer gefürchtet hatte: Sie war in einem Haus mit schlechtem Ruf gelandet.
»Bitte, Miss Chegwidden.« Eine junge Frau, die in das saubere und gebügelte Kleid einer Zofe gekleidet war, machte ein paar Schritte auf sie zu. Mit schwerem, französischem Akzent sagte sie: »Ihr dürft nicht aufstehen. M’ladys Befehle.«
Emma starrte sie entsetzt an. »Wer bist du? Und wer ist M’lady?«
»Ich bin Tia, und Ihr seid in dem Haus von Lady Fanchere.«
Lady Fancheres Name klang für sie vertraut. Aber Emma wusste nicht, wo sie ihn schon einmal gehört hatte. »Ist sie die Vorsteherin in diesem Etablissement?«
Die Zofe umfasste ihre Schultern und drückte sie wieder in die Kissen. »Ich verstehe nicht, was Ihr meint, Miss.«
Tias Akzent war nicht französisch, erkannte Emma. Sie war Moricadierin, und Lady Fanchere war … Sie war … Emma runzelte die Stirn und versuchte, sich an diese vage Erinnerung zu klammern, die durch ihren Kopf waberte.
Letzte Nacht. Sie war auf dem Ball gewesen und hatte Lady Lettice frische Luft zugefächelt, als jemand bemerkte: Lord und Lady Fanchere, die Vertraute und Verbündete von Fürst Sandre sind, haben ihn unter Hausarrest gestellt.
Wer wurde von Lord und Lady Fanchere unter Hausarrest gestellt?
Die Antwort kam ihr genauso plötzlich wieder in den Sinn.
Michael Durant. Erbe des Duke of Nevitt.
Die Erinnerung an die vergangene Nacht war bruchstückhaft, aber an Michael Durant erinnerte sie sich ganz deutlich. Die roten Haare, die grünen Augen, die feine Kleidung … Die wahrhaft hochmütige Art, wie er die Sorge seiner Familie über sein Verschwinden mit einem Wort beiseitegewischt hatte. Dann seine Freundlichkeit ihr gegenüber … Er war ein merkwürdiger Mann, und sie wusste nicht, ob sie ihn verachten oder mögen sollte.
Sie erinnerte sich auch wieder an etwas anderes. An etwas, das am Rand ihres Verstands lauerte und an ihr zupfte. Etwas, das sie frösteln ließ … »Da war ein Wolf!«, rief sie.
Beruhigend erwiderte die Zofe: »Ja, Miss. Natürlich war da ein Wolf. Ich rufe rasch Lady Fanchere, dann könnt Ihr ihr alles darüber erzählen.«
Emma war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie kaum bemerkte, wie Tia aus dem Zimmer schlüpfte.
Sie bemerkte aber auf jeden Fall, dass die Schlafzimmertür wieder aufging und eine Lady eintrat. Tia war ihr dicht auf den Fersen.
Die Lady war von mittlerer Größe, war zwischen dreißig und vierzig Jahren alt und hatte eine hübsches Gesicht und eine wohlgeformte Figur. Sie war für Emma auch der Inbegriff einer Schlossherrin. Sie trug ein gutes, aber schlichtes Kleid, hatte einen großen Schlüsselring am Gürtel und machte auf Emma einen tüchtigen Eindruck. Ihr blond schimmerndes Haar trug sie zu einem Knoten im Nacken aufgesteckt, um den ein Netz lag, ihre großen braunen Augen betrachteten Emma und fällten sogleich ein Urteil über sie, von dem Emma befürchtete, es sei nicht besonders schmeichelhaft. Sie blieb am Fußende des Betts stehen und schob die Hände in die Schürzentaschen. »Ihr seid also endlich wach. Miss Emma Chegwidden, nehme ich an?«
Emma setzte sich auf. »Die bin ich.«
»Ich bin Lady Fanchere. Die Tochter von Bernardin de Guignard und Ehefrau von Lord Fanchere, dem Finanzminister
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