Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
Schnitter wurde hier gesehen.«
»Hier?« Sandre drehte den Kopf von ihr weg.
»Was meint Ihr mit hier?«, fragte Emma.
Countess Martin ignorierte sie, als existierte Emma für sie gar nicht. »Er ist im Palast, liebste Hoheit. Heute Abend! Während deine Männer ihn durch das ganze Land jagen. Du musst schon zugeben, das ist wirklich amüsant!«
30
Jean-Pierre saß auf seinem Pferd und beobachtete den Horizont, während die ersten Blitze die Gipfel in gespenstisches Licht tauchten. Der Fürst richtete einen Ball aus, doch er hatte sehr deutlich gemacht, dass Jean-Pierre dort nicht willkommen war. Nicht wegen seiner Mutter, die Sandre lachend eine Schlampe genannt hatte, sondern weil Jean-Pierre noch immer nicht den Schnitter gefangen genommen hatte.
Der Wind frischte auf. Eine Wolke bedeckte die Sterne und kroch näher. Sie grollte unheilvoll, als litte sie Schmerzen. Der Geruch nach Regen hing frisch in der Luft.
Ein heraufziehendes Gewitter. Es kam schnell näher.
Jean-Pierre war es leid, sich auf dem Rücken seines Pferds auf dem fürstlichen Friedhof an der Straße zum Palast zu verstecken und sich jede Nacht nass regnen zu lassen. Er nahm sich fest vor, am nächsten Ball einfach teilzunehmen.
Das langsame Klippklapp von Pferdehufen ließ ihn den Kopf drehen. Er schaute gleichgültig in die Richtung, aus der ein weißes Pferd vom Palast kam.
Auf seiner nächtlichen Mission hatte er schon viele weiße Pferde gesehen. Der Reiter trug einen schwarzen Mantel.
Aber sobald der Reiter das gerade Stück Straße erreichte, trieb er sein Pferd an. Als er das tat, tauchte ein greller Blitz die Landschaft in gespenstisches Licht.
Jean-Pierre richtete sich im Sattel auf.
Ein schwarzer Mantel, eine schwarze Maske … Und als nun der Mantel hinter dem Reiter wehte, sah Jean-Pierre deutlich ein weißes Leichentuch und zerfetzte Kleider, die im Wind flatterten. Was, wenn die Beschreibung nicht der Wirklichkeit entsprach? Alles an dem Schnitter war bisher nur Gerede und Legendenbildung gewesen.
Erneut zuckte ein Blitz, Donner grollte. Jean-Pierre zog sein Gewehr aus dem Holster.
Das Pferd des Schnitters fiel jetzt in einen leichten Kanter, gewann rasch an Geschwindigkeit und galoppierte schließlich rasend schnell davon.
Jean-Pierre stützte den Arm auf und zielte auf die rechte Schulter des Schnitters. Er wartete auf den nächsten Blitz und drückte den Abzug.
In genau diesem Augenblick beugte sich der Schnitter tief über den Hals seines Pferdes.
Jean-Pierre hörte den Schuss peitschen und sah, wie sich die Kugel in die Kleidung grub und Blut aufspritzte. Er hatte den Schnitter oben zwischen Schulter und Hals getroffen.
Der Schnitter sackte im Sattel zusammen, doch er rappelte sich wieder auf. Sein Pferd machte einen Satz nach vorne, galoppierte um die Kurve und verschwand außer Sicht.
Jean-Pierre fluchte, steckte die Waffe in den Holster und versetzte seinem Pferd einen Schlag auf die Kruppe. Der Schnitter würde ihm dieses Mal nicht entkommen.
Aber als er aus dem Gebüsch hervorkam und auf die Hauptstraße ritt, öffnete der Himmel seine Schleusen, und es schüttete wie aus Eimern. Die Temperatur sank spürbar. Hagelkörner prasselten auf den Boden, zerfetzten die Bäume und trommelten auf ihn ein. Er ritt schneller. Er wusste, der Schnitter musste sich mit denselben Witterungsbedingungen auseinandersetzen. Er konnte ihn nicht sehen, deshalb trieb er sein Pferd an. Das Vieh buckelte, stieg und warf ihn aus dem Sattel.
Jean-Pierre landete in einer eisig kalten Pfütze.
Erneut stieg das Pferd, und seine Hufe landeten gefährlich nahe neben Jean-Pierres Kopf.
Er duckte sich und rollte rasch außer Reichweite der gefährlichen Hufe.
Das Pferd rannte mit hochgerrecktem Kopf davon. Es lief die Straße zurück zum Palast hinauf.
Fluchend kam Jean-Pierre auf die Füße. Er schaute die Straße hinauf und herunter.
Sie war verlassen. Natürlich. Welcher Narr trieb sich bei diesem Wetter draußen herum?
Während er hinter seinem Pferd her durch den Regen und den Sturm stapfte, wusste er, welche Geschichte man sich schon bald im Palast erzählen würde.
Der Schnitter hatte den Sturm heraufbeschworen und den Blitz eingesetzt, um seine Feinde zu besiegen.
Nun, vielleicht war das so. Aber Jean-Pierre hatte gesehen, wie die Kugel ihr Ziel getroffen hatte.
Der Schnitter war verwundet. Irgendwo kauerte er sich jetzt voller Schmerz zusammen, und Jean-Pierre würde ihn schon bald in seinem Versteck aufstöbern
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