Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
Mit Corinne und Conrad würdest du dich gut verstehen.«
Hatte sie sich nicht schon mit Conrad amüsiert? Sie war sich ziemlich sicher, dass er der falsche Eleutherios auf dem Maskenball gewesen war .
»Ebenso wie du neigen die beiden selbst in schwierigen Situationen zu gelassener Heiterkeit. Catherine ist eine vorbildliche Lady alter Schule, Colin ein grässlicher Tugendbold.«
»Und … deine Eltern?«, fragte sie zögernd. Sie wusste, nun würde sie einen wunden Punkt berühren.
Er ließ sich Zeit mit der Antwort. »Nach Colins Geburt begann meine Mutter mit ihren Eskapaden, die schließlich ihren Ruf ruinierten. Inzwischen, im Rückblick, zweifelt man sogar an der Abstammung aller ihrer Kinder, sogar an meiner.«
»Tut mir leid.«
Sie berührte sein Knie, und in einer anderen Situation hätte er die Geste für eine erotische Aufforderung gehalten. Jetzt umfasste er einfach nur ihre behandschuhten Finger.
»Was die Leute denken, ist mir egal. Meistens amüsiert es mich. Und sie ahnen nicht, was wirklich hinter den Klatschgeschichten steckt.«
Vier Jahre alt war er gewesen, als er mit seiner Mutter das Schlafzimmer der Eltern betreten und seinen Vater mit zwei Dienstmädchen im Bett hatte liegen sehen. Bis heute wusste er nicht, ob sie ihn damals zum ersten Mal bei einem Seitensprung ertappte.
»Irgendwie gleicht meine flatterhafte Mutter einem Schmetterling, den man nicht einfangen darf, weil man sonst seine Flügel zerquetschen würde.«
Ebenfalls in seiner Kindheit hatte er auf einem Landsitz der Familie die achtzehnjährige Nichte des Nachbarn mit gespreizten Beinen unter dem Marquess im Gras liegen sehen. Wieder war die Marchioness an seiner Seite gewesen.
»Meine Mutter liebt ihren Mann.« Scheinbar gleichmütig zuckte er die Achseln. »Und er ist unentwegt verliebt. In alles und jeden. Immer nur kurzfristig. Bis ihr das klar wurde, dauerte es sehr lange.«
Trotz all seiner Fehler, so der Sohn, hatte der Vater stets Zeit für seine Kinder gefunden, den Ältesten auf Reisen zu den Landgütern, ins Parlament oder zu gesellschaftlichen Veranstaltungen mitgenommen. Unweigerlich nutzte er solche Gelegenheiten allerdings für diverse Amouren. Nicht im Beisein des Sohnes, doch bekam der zumindest die Vorkehrungen und Verabredungen mit.
Hin und wieder blieben Türen offen. Geräusche drangen sogar durch dickes Eichenholz. Derangiert und mit glühenden Gesichtern taumelten Frauen aus Hinterzimmern, warfen dem Heranwachsenden vielsagende Blicke zu. Oder sie tätschelten ihm die Wangen und sagten kichernd, eines Tages würden sie sich auch mit ihm vergnügen.
»Die arme Marchioness«, flüsterte Miranda.
»Oh, es geht ihr gut«, erwiderte er und ließ erstmals seine ganze Bitterkeit heraus. Weil er sich der Frau zu öffnen wagte, die in ihm diese Sehnsucht nach Reinheit und Freiheit geweckt hatte.
Ja, seiner Mutter ging es insofern erträglich, weil sie es gelernt hatte, ihr Leid hinter Skandalen zu verstecken.
Deutlich erinnerte er sich, wie sein Vater sie zum ersten Mal mit einem Liebhaber ertappt hatte. Im Londoner Haus. Damals war er zehn Jahre alt gewesen. Lachend hatte sein Vater den Mann hinausgeworfen und dann seine eigene Frau vergewaltigt. Glücklicherweise war ein Hauslehrer zur Stelle, der den Jungen rasch beiseitezog, bevor er noch mehr mit ansehen musste. Am nächsten Morgen lächelte die Mutter strahlend, und der Sohn hoffte, dass seine Eltern endlich glücklich miteinander waren – schließlich liebte er sie beide.
Eine Woche später ertappten sie den Marquess mit einem Dienstmädchen im Salon. In diesem Moment war in der Marchioness endgültig etwas zerbrochen. Neun Monate später kam die jüngere Tochter zur Welt, doch nie kehrte der alte Glanz in die Augen der Mutter zurück, denn von ihrer Seite war es einst eine große Liebe gewesen.
»Das hat mir bewiesen, dass es sinnlos und dumm ist, aus Liebe zu heiraten«, erklärte er und streichelte Mirandas Hand.
»Da bin ich anderer Meinung.«
»Jeden Morgen dasselbe sehnsuchtsvolle Gesicht im Spiegel sehen, für das ganze Leben emotional an eine Gattin gefesselt sein? Da sollte man lieber eine gefühlskalte, kostspielige Frau heiraten, die ihre Pflicht erfüllt und sonst nichts erwartet.«
»Wie schrecklich«, protestierte Miranda.
»Ein vernünftiges Geschäft.«
»Wie kannst du so reden? Gerade du, der so schöne Worte …« Sie hielt inne, denn um ein Haar hätte sie sich verraten und schreibt hinzugefügt. Sie holte tief Luft
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