Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
dir jedenfalls keinen Kopf machen.« Downing nippte an seinem Glas. »Geh ins Bett, mit wem du willst, und lass deine Schamgefühle nicht an der restlichen Familie aus.«
Schweigend und leicht gebeugt stand sein Bruder da, als hätte ihn ein Faustschlag in den Magen getroffen.
»Du stehst unter dem Einfluss von Oxfords hehrer Moral, Colin, und die Realität dieser Welt verwirrt dich. Das verstehe ich.« Downing neigte sich näher zu ihm. »Aber wenn du unsere Mutter beleidigst, musst du dich vor mir verantworten. Guten Tag.«
Mit langen, schnellen Schritten ging er davon, und Miranda eilte hinter ihm her.
»Bald wird die Countess erscheinen«, erklärte er und schaute kurz zurück. »Bis dahin sollten wir die Gemälde in der Ecke da drüben bewundern – die sind zumindest eine angenehmere Gesellschaft.«
»Das ist also Ihr Bruder«, sagte sie und drehte sich zu dem jungen Mann um, der ihnen mit leeren Augen nachstarrte.
»Seltsam, nicht wahr?«
»Nun, Sie sind beide … temperamentvoll.«
Er verlangsamte seine Schritte und schaute sie belustigt an. »Bin ich das?«
»Ja.« Sie fand diese Feststellung ziemlich offensichtlich und eigentlich nicht verwunderlich.
»Ich dachte niemals, Colin und ich hätten etwas gemein – abgesehen von unserem Blut, wie viel auch immer er davon beanspruchen kann«, ergänzte er in bissigem Ton.
Spielte er auf ein Geheimnis an, warum der blauäugige Junge mit dem hellbraunen Haar ihm nicht ähnlich sah? Sie wagte keine Fragen zu stellen. Es wäre unhöflich, und das alles ging sie nichts an. Aber ganz London wusste über die Affären der Marchioness Bescheid, die ständig als Lady W. in den Klatschspalten auftauchte. Was die Anzahl ihrer Liebschaften betraf, wurde sie nur von ihrem Ehemann und ihrem ältesten Sohn übertroffen.
Der Vater, die Mutter, der Sohn – stets die gleiche Reihenfolge der Skandale. Sobald die Marchioness sich irgendwie danebenbenahm, wurde sie ziemlich bald von Downing übertrumpft. Das stellte man fest, wenn man die Klatschspalten aufmerksam und vor allem zwischen den Zeilen las. Miranda hüstelte in ihren Handschuh. Sicher fiel das nicht nur ihr auf.
Meistens nahmen die Skandale des Viscount allerdings ein gutes Ende. Riskante Wetten führten zu Riesensummen, geschäftliche Abenteuer zu geradezu obszönem Reichtum, schockierende Eroberungen zu überstürzten glücklichen Hochzeiten mit jemand anderem. Beinahe konnte der Eindruck entstehen, die Skandale seien geplant.
Wieso hatte der Bruder eigentlich auf finanzielle Probleme des Marquess angespielt? Vermutlich war es bloß die Angst, der liederliche Lebenswandel der Eltern könnte selbst ein riesiges Vermögen aufbrauchen – oder es würde zumindest für die nachgeborenen Kinder nicht genug übrig bleiben.
»Colin ist zu abhängig von den Meinungen anderer Leute«, bemerkte Downing. »Und zu sentimental. Darin ähnelt er unserer Mutter. Aber er wäre entsetzt, wenn man ihn darauf hinweisen würde.« Er lächelte boshaft. »Das werde ich ihm bei unserem nächsten Gespräch sagen.«
»Sollen wir wirklich Bücher kaufen?«, sprudelte Miranda hervor, bevor sie ihren Fauxpas bemerkte. Seine Geldangelegenheiten gingen sie nun wirklich absolut nichts an. Sicher würde er ihr jetzt kündigen.
Zu ihrer Erleichterung lachte er nur. »Das kann ich mir gerade noch leisten. Und Ihre Arbeit in meiner Bibliothek auch.« Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Glauben Sie Colin nicht. Noch ist die Familie nicht so weit, die unerschöpflichen Kredite nutzen zu müssen, die einem die Bankiers heutzutage gewähren.«
Davon hatte sie bereits gehört, obwohl sie kaum zu einer Klientel gehörte, der man Kredite gewähren würde. »Irgendwann wird doch jeder von den Schulden eingeholt.«
»Falls ich je in diese Situation gerate – ernähren Sie mich dann? Darf ich bei Ihnen wohnen?« Sein Ellbogen streifte ihren Arm und beinahe ihre Brust. »Als Sklave Ihrer sinnlichen Wünsche? Versprechen Sie mir das, Miranda?«
Sein Lächeln ließ sie erneut dahinschmelzen, willenlos werden. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur endgültigen Kapitulation. Sie nahm nichts mehr wahr um sich herum außer ihm und dieser süßen, bedrohlichen Schwäche, die sie in seiner Gegenwart immer befiel.
8
Liebe Chase, manchmal kann man einen Mann nur beurteilen, wenn man sein Verhalten anderen gegenüber beobachtet. Aber man muss gut aufpassen, um zu erkennen, was er hinter einem charmanten Lächeln verbirgt.
Mr. Pitts an Miranda
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