Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
der sie unverändert wie angewurzelt stand.
»Durchaus möglich.« Der Viscount nippte an seinem Glas. Miranda hatte keine Ahnung, was er trank. Whisky? Sherry? Irgendetwas Goldgelbes jedenfalls.
»Und?«, fragte sein Bruder. »Was wirst du unternehmen?«
»Soll ich Mutter verprügeln?«
»Sag ihr, sie soll sich anständig benehmen«, fauchte Colin. »Diese Schande ist unerträglich! Die Blicke, die man mir ihretwegen in Oxford zuwirft …«
»Sei ein Mann und wirf entsprechende zurück.«
»Hast du die neuesten Gerüchte gehört?«
»Eigentlich dachte ich, du seist über solche Klatschgeschichten erhaben.« Downings gleichmütige Miene könnte jeden täuschen, dem nicht die Finger auffielen, die krampfhaft das Glas umschlossen. »Außerdem ist es derzeit unser alter Herr, der für den übelsten Klatsch sorgt. Eigentlich müsstest du dich mehr über ihn aufregen.«
»Nun ja, sein Verhalten ist nicht akzeptabel, aber was Mutter treibt, finde ich noch schlimmer.«
»Ist es das?«
»Du bist zu tolerant mit ihr, Downing.«
»Findest du?«
Das Gesicht des Bruders lief rot an. »Seltsamerweise glaubt Conrad, du seist imstande, die Familienehre zu retten. Diesen Optimismus teile ich nicht, und ich will wissen, was du planst.«
»Nun, ich möchte ein oder zwei Bücher kaufen«, erwiderte Downing. »Danach gehe ich vielleicht in den Club und verspiele ein bisschen was von dem Geld, das noch in meinen Taschen übrig ist. Und wenn ich genug getrunken habe, ziehe ich mich mit einer spärlich bekleideten Frau zurück.«
Bei diesen letzten Worten neigte er sich ganz leicht zu Miranda, und sie zuckte zusammen, als hätte jemand kochend heißen Tee über ihren Kopf gegossen.
Colin bekam nichts davon mit, war zu aufgeregt, um Nuancen zu beachten. »Und Mutter?«
»Warum redest du nicht mit ihr, wenn du dir so große Sorgen machst?«
Der junge Mann kniff die Lippen zusammen. »Auf mich würde sie nicht hören. Du bist der Erstgeborene. Und ihr Liebling«, fügte er spöttisch hinzu. »Vielleicht weil in deinem Fall der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen ist.«
»Wir alle haben unsere Bürde zu tragen. Wenn du sonst nichts mehr zu sagen hast …«
»Wieso spreche ich überhaupt mit dir? Dein Lebenswandel ist kein Deut besser als der unserer Eltern.«
Statt zu antworten, lächelte er bloß freundlich.
»Unser Name wird ruiniert!«
»Ist dir eigentlich bewusst, dass du das Thema in aller Öffentlichkeit zur Sprache bringst und dadurch alles nur noch schlimmer machst? Hast du keine Angst, jemand könnte uns belauschen? Oder bist du bei deinen Besuchen in meinem Haus anderweitig zu beschäftigt, um solche Probleme dort zu diskutieren?«
Colin erbleichte. »Hier hört uns niemand.«
»Darf ich dich mit Miss Chase bekannt machen?« Der Viscount trat zurück und wies auf Miranda.
Bevor Colin ihre Gegenwart überhaupt zur Kenntnis nahm, ging er noch mal auf seinen Bruder los. »In deinem Haus hören deine Dienstboten jeden Tag viel skandalösere Dinge«, murmelte er.
»Hoffentlich beurteilt Miss Chase richtig, was über meine Lippen kommt.« Downings Augen verdunkelten sich, und Mirandas Wangen brannten.
Seinem Bruder stockte der Atem. »Vergnügst du dich jetzt mit deinem Personal? Ich dachte, du würdest deine Grenzen kennen.«
»Jetzt überschreitest du deine.« Downings Stimme nahm einen eisigen Klang an, und Colin wich einen Schritt zurück.
»Mit Dienstmädchen darfst du dich nicht einlassen«, wehrte er sich. »Solange wenigstens du respektabel erscheinst, wird sich das günstig auf die gesellschaftliche Reputation der Familie auswirken. Wer weiß, vielleicht brauchen wir irgendwann Hilfe, wenn unsere Taschen leer sind.«
»Willst du dein Leben dann der Kirche weihen? Und versuchen, unser Ansehen mit inbrünstigen Gebeten und erbaulichen Predigten zurückzugewinnen? Oder möchtest du unsere angeblich leeren Kassen mit deinen Einkünften als erfolgreicher Literat füllen? Planst du deine melancholischen Memoiren zu verkaufen?«
Colins Gesicht lief dunkelrot an. O Gott, Miranda hatte geglaubt, diese hässliche Farbe sei allein für sie reserviert. Doch aus den Zornesausbrüchen des jungen Mannes klang echte Verzweiflung.
»Nein? Dann mach es so wie unser Bruder Conrad und verschließ einfach deine Augen vor all den Schwierigkeiten. Kauf weiter teure Kleidung, vergnüg dich auf Bällen und Gesellschaften und überleg nicht, woher das Geld kommt oder wohin es fließt. Wegen der Klatschkolumnen solltest du
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