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Süß ist die Angst

Süß ist die Angst

Titel: Süß ist die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Clare
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anständigen Schnitt in der Brust verpasst, bevor ich sie am Boden hatte.«
    In der ersten Woche hatte er fünf Typen auf die Krankenstation verfrachtet.
    Sophie blickte auf die Narbe neben seiner Brustwarze, als sie sich daran erinnerte, was Officer Green ihr erzählt hatte. Nun kannte sie die ganze Geschichte, und sie bereitete ihr Übelkeit.
    »Hättest du nicht automatisch in Einzelhaft kommen müssen, isoliert von den Mithäftlingen?«
    Gewöhnlich war das das Prozedere, wenn jemand aus einem Beruf, der mit Strafverfolgung zu tun hatte, im Gefängnis landete. Man trennte ihn vorsichtshalber von den anderen Insassen.
    Hunt setzte sich auf und zuckte mit den Schultern.
    »Tja, irgendwie wurde dieser Teil der Anordnung nie in die Tat umgesetzt.«
    »Haben die Wachleute denn nicht versucht, die Kerle daran zu hindern, dir etwas zu tun?«
    »Teufel, aber nie und nimmer.« Hunt schnaubte, stand auf, ging ein paar rastlose Schritte hin und her, blieb dann stehen und starrte hinaus in den Flur. »Aus ihrer Perspektive war ich ein Verräter, ein Polizistenmörder. Und es war ihnen verdammt egal, was mit mir passierte … solange es weh tat. Meistens taten sie wenigstens so, als wollten sie eingreifen, aber manchmal sahen sie auch bloß zu und lachten. Ich brauchte nicht lange, um zu begreifen, dass man mich zur Exekution durch Mithäftlinge verurteilt hatte.«
    Sophie hörte die Wut in seiner Stimme und spürte ihren eigenen Zorn hochkochen.
    »Das ist doch keine Gerechtigkeit.«
    Aber er hörte sie nicht.
    »Anfangs dachte ich, dass es eigentlich reichen müsste, ein paar Knochen zu brechen. Wenn man jammert oder gehorcht, machen sie dich fertig. Wenn man sich wehrt, lassen sie dich in Ruhe. Eine Weile schien es zu funktionieren. Ich erkämpfte mir genug Respekt, um die notwendigen Verbindungen aufzubauen. Aber manche Menschen wissen einfach nicht, wann man aufhören muss.«
    Ihr Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen, während er beschrieb, wie man immer wieder versucht hatte, ihn umzubringen. Einmal hatten sie in der Kantine versucht, ihm mit einem Totschläger, bestehend aus Steinen, die sich in einer Socke befanden, den Schädel einzuschlagen, ein zweites Mal hatte man ihm Sand in die Augen gestreut, um ihm die Sicht zu nehmen und ihm dann ein Messer in die Eingeweide zu treiben. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es war, sich mit solch einer Gewalt auseinanderzusetzen, jeden Tag um sein Leben kämpfen zu müssen. Wie konnte ein Mensch das aushalten?
    »Ich schlug jedes Mal zurück. Ich verbrachte ein paar Tage auf der Krankenstation und kam dann in Isolationshaft. Bald hatte ich den Ruf, den sich jeder Häftling wünscht: Lass die Finger von Hunter. Der tritt dir in den Arsch, wenn du ihm komisch kommst. Schwächere Häftlinge, junge Typen, Typen, die schon mal vergewaltigt worden waren, Burschen, die nicht kämpfen konnten, wuselten um mich herum und boten mir alle möglichen Dienste im Austausch dafür an, dass ich sie beschützte … Du kannst dir nicht vorstellen, was du da alles für Angebote bekommst. Ich hätte mir täglich dreimal den Schwanz lutschen lassen können, wenn ich es gewollt hätte. Und, ja, ich passte ein wenig auf sie auf, aber ich ließ sie nicht zahlen, jedenfalls nicht auf diese Art.«
    Sophie versuchte zu verarbeiten, was er ihr erzählte. Viele Jahre hatte sie schon über die Welt der Häftlinge berichtet, aber das, was er ihr beschrieb, war ihr dennoch so fremd.
    »Das heißt, die brutalen Schläger ließen dich schließlich in Ruhe?«
    »Nicht alle. Irgendwann wurde ich in den Hochsicherheitstrakt verlegt. Da gab es eine Gruppe Häftlinge, alle hatten lebenslänglich, die auf Vergewaltigungen standen – vor allem in Gruppen. Sie fanden, dass man mich unbedingt etwas zurechtstutzen müsste. Sie fingen an, mich zu beobachten, nannten mich hübscher Junge, drohten mir. Ich riet ihnen, sich selbst zu ficken.«
    Marc erkannte seine eigene Stimme kaum, als er weitersprach. Die Worte schienen von jemand anderem zu kommen, schienen das Leben eines anderen zu beschreiben. »Das erste Mal erwischten sie mich mit einem Trick. Drei von diesen Typen standen vor der Dusche und begutachteten mich, als sei ich ein Stück Fleisch. Ich wandte ihnen den Rücken zu, und das gefiel ihnen natürlich erst recht. Sie jubelten und stießen Pfiffe aus und kommentierten meinen Körper. Ich ignorierte sie und versuchte, so schnell wie möglich fertig zu werden, um wieder zu verschwinden. Aber ich war

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