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Sueß, naiv und intrigant

Sueß, naiv und intrigant

Titel: Sueß, naiv und intrigant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecily von Ziegesar
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Kirsch-Blistex-Stift aus der Tasche ihrer verwaschenen Jeansjacke und rieb sich die Lippen ein. »Drücken wir es mal so aus: Geschichte ist das einzige Fach, bei dem ich immer gerne Hilfe annehme.« Sie zwinkerte Jenny zu, als sie die Flügeltür nach draußen aufstießen. Warmer Sonnenschein hüllte sie ein. Der gesamte Campus vor ihnen war in leuchtendes Rot, Gelb und Orange getaucht. Jenny winkte Kara zum Abschied zu und sah ihr nach. Sie wollte ihre Fliegerbrille aus der Tasche holen, da bemerkte sie, dass dort, an eine der Säulen gelehnt, Easy Walsh stand und auf sie wartete.
    »Darf ich dich begleiten?« Easy hielt eine Hand schützend vor die Augen, in der anderen trug er sein Skizzenbuch.
    »Klar doch.« Jenny hängte sich ihre schwere Tasche über die andere Schulter. Schweigend gingen sie nebeneinander über den Innenhof. Der Rasen war übersät mit riesigen Eichenblättern, und Jenny bückte sich, um eines aufzuheben. Es war gelb mit orangefarbenen Flecken, und es war so hübsch, dass Jenny fand, sie könnte es zwischen Wachspapier pressen und ihrem Vater schenken. Vielleicht gestaltete sie ein Lesezeichen daraus. Hatte sie so etwas nicht mal in einem Kunstkurs gemacht? Sie versuchte, an das neue Projekt zu denken – oder genauer, an irgendwas anderes als an das, was Easy ihr sagen wollte.
    »Tja, äh, ich hab mir’ne Menge durch den Kopf gehen lassen.« Seine Stimme klang komisch, als ob er seine Worte geprobt hätte oder als ob er erwartete, dass Jenny böse auf ihn werden würde. Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Umständlich zog sie den Reißverschluss ihres dunkelblauen J.-Crew-Kapuzenshirts hoch.
    »Ich auch.«
    Easy nickte. »Ja?« Immer wieder fingerte er an der Zigarettenschachtel in der Gesäßtasche seiner Jeans herum, als wollte er dringend eine rauchen, konnte es aber nicht, weil sie ja mitten auf dem Campus standen, von überall wunderbar zu sehen. »Hm, gut. Äh, ich bin … zu dem Schluss gekommen, dass es besser wäre … wenn wir uns trennen.«
    Obwohl sie auf so etwas Ähnliches vorbereitet gewesen war, trafen sie die Worte dennoch. Aber da war noch etwas. Ein Gefühl, das sie wirklich nicht erwartet hatte: Erleichterung. Zumindest hatte sie jetzt Gewissheit. Das mit ihr und Easy war vorbei. Aus. Sie und Callie konnten jetzt für immer ihren Frieden schließen. Sie nickte langsam, während sie geistesabwesend wahrnahm, dass Dutzende Schüler in dicken Pullovern die Treppe von einem der Unterrichtsgebäude herunterkamen. »Ich glaube, es wird wohl das Beste sein.«
    Er sah sie zögernd an, richtig überrascht, als hätte er sich nicht vorstellen können, dass sie es ihm so leicht machen würde. Jenny überlegte, ob er wohl erwartet hatte, dass sie ihm eine Szene hinlegte. So wie Callie es getan hatte, als er mit ihr Schluss gemacht hatte. Selbst der taubste Bewohner des Jungenhauses hatte mitbekommen, wie sie ihn angepfiffen hatte. Aber Jennys Stil war das nicht. Und abgesehen davon – sie war nicht wütend. Sie war nur traurig.
    Unbehaglich trat er von einem Fuß auf den anderen. »Wir können doch... äh... Freunde bleiben, oder?«
    Jenny merkte, wie schwer es ihm fiel, so einen klischeehaften Satz auszusprechen Und obendrein noch einen, der so wenig überzeugend war. Aus seinem Mund klang er derart unbeholfen, dass sie fast lachen musste. »Sicher«, antwortete sie.
    Easy rieb sich den Nasenrücken mit farbverkleckstem Daumen und Zeigefinger. »Echt?« Er spähte zweifelnd hinter seinen Fingern hervor, und sie spürte, wie seine blauen Augen sie forschend anblickten.
    »Doch, klar.« Jenny lächelte zu ihm auf. Auch wenn sich ihr Magen zusammenzog, auch wenn es ihr schon fehlte, ihm mit der Hand durch die zerzausten Locken zu fahren oder seinen schiefen Mund zu küssen – sie war trotzdem erleichtert, dass sie niemanden mehr hintergehen musste.
    »Hör mal...« Sie stockte, denn sie wusste nicht weiter. Sie starrte in den leuchtend blauen Himmel hinauf und sah eine dicke braune Eule von einem Baum zum nächsten flitzen. Ihr erster Tag in Waverly fiel ihr ein, als sie von einem der Biester fast angegriffen worden war. Sie stieß die Spitze ihres roten Dansko-Mary-Jane-Stiefels ins Gras. Passierten die Dinge in Waverly immer so schnell? »Ich mag dich, Easy. Das wird sich nicht ändern, nur weil sich sonst … alles ändert.«
    »Ja.« Er nickte bedächtig, immer noch verwundert. Über seine Schulter erhaschte Jenny einen Blick auf Tinsley, die in einem schwarzen

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