Sueß, naiv und intrigant
rüber an das Eckfenster, ja? Da ist diese Woche einer abgereist und das Zimmer steht leer. Ich bin in zwanzig Sekunden dort, okay?«
Tinsley lächelte schwach. »Okay.« Nach diesem Empfang würde er sich ordentlich ins Zeug werfen müssen, um sie wieder zu versöhnen, dachte sie angesäuert. Dennoch war sie voller Vorfreude, als sie an vier Fenstern vorbei die Hauswand entlangschlich. Fast sofort wurde das Fenster geöffnet, und Julian streckte die Hand heraus, um ihr hineinzuhelfen.
»Danke.« Sie klopfte sich die Jeans ab und sah sich in dem dunklen Einzelzimmer um. Bis auf die Standardausstattung, die jedes Zimmer aufwies – Schreibtisch, Kommode, Nachttisch, Bett -, war es vollkommen leer. »Ist der Typ rausgeflogen?«
»Nee.« Julian schüttelte den Kopf. Er zog zu Tinsleys Enttäuschung den Schreibtischstuhl heraus und setzte sich.
Bitte, wenn er es nicht anders haben wollte... Sie schob sich auf den Schreibtisch und ließ die Beine gerade mal knapp außerhalb seiner Reichweite baumeln. Warum stürzte er sich nicht auf sie? Wollte er sie nur scharf machen? Seit wann verstanden Neuntklässler sich denn auf so etwas? Sie war leicht irritiert, aber wild entschlossen, sich keinesfalls zu der Frage herabzulassen, was zum Teufel bloß los war. Wenn er so unnahbar tat, kein Problem, das konnte sie auch.
»Das mit dem Jungen hier im Zimmer war eine komische Sache«, fuhr Julian fort. »Er hatte daheim eine Freundin, in Montana oder so. Die beiden haben wohl zehn Stunden jeden Tag miteinander telefoniert.« Julian kippelte mit dem Stuhl. »Ich glaube, er ist in diesem Jahr sogar schon zweimal heimgeflogen. Wie auch immer. Letzten Endes hat er es nicht mehr ausgehalten. Ist zurück nach Montana, nehm ich mal an.«
»Wegen einem Mädchen?«, fragte Tinsley ungläubig und zog die Augenbrauen hoch. Dieses Montana-Jüngelchen schien ja der totale Loser zu sein. Trotzdem – eine anrührende Geschichte. Sie schlenkerte die Beine, um Julians Körper zu streifen. Aber der saß zu weit weg. »Die Kleine muss ja eine heiße Mieze sein.«
Er lachte. »Es gibt auch noch was anderes außer solchen Vorzügen.«
Tinsley tat schockiert. »Huch? Was zum Beispiel?«
»Ich weiß nicht.« Julian gähnte und stand auf. Er wirkte unruhig, als ob er nicht so recht wüsste, was er mit sich anstellen sollte. Er schlenderte zum Wandschrank, öffnete die Tür und sah hinein in die Leere. »Na ja, es ist zum Beispiel schön, jemanden zu haben, mit dem man ganz entspannt reden kann.« Er trat in den Schrank, legte die Hände auf die Kleiderstange und beugte die Knie, als wolle er einen Klimmzug machen. »Es ist irgendwie unglaublich... sexy, einfach nur mit einem Mädchen zu reden.«
»Reden ist sexy, sicher«, stimmte Tinsley ihm zu. Darum also ging er auf Abstand. Sie war überrascht, dass sie nicht eher darauf gekommen war. Julian wollte mehr reden. Sie dachte an ihre vergangenen Treffen und stellte fest, dass sie alle beide körperlich ziemlich aufgeladen gewesen waren, sie hatten nicht die Hände voneinander lassen können. Erleichterung durchflutete sie. Okay. Sie wusste, was das Problem war und wie sie es beheben konnte. Offensichtlich war Julian der berühmte eine unter hundertausend Jungs, der lieber redete als knutschte. Genauer gesagt, der zuerst reden und dann knutschen wollte. Prima, das taten sie ja jetzt, oder? Tinsley stieß einen befreiten Seufzer aus, ließ sich rücklings auf den Schreibtisch sinken und starrte durch das Fenster in den nachtblauen Himmel. »Was ist dir sonst noch wichtig? An einem Mädchen, meine ich.«
Julian trat aus dem Wandschrank und zog nachdenklich die Luft ein, dann bückte er sich, um seine Schuhe neu zu binden. Als er wieder aufstand, waren seine Wangen gerötet. »Sie muss in der Lage sein, mich zum Lachen zu bringen... und sie darf keine Angst haben, sich auch mal lächerlich zu machen.«
Tinsley lächelte ihm kokett zu. Mit dem letzten Teil seiner Bemerkung wollte er ihr eindeutig etwas sagen... Vielleicht so etwas in der Art wie: Trau dich und stürz dich ruhig mal auf mich. Sie stemmte sich wieder von der Tischplatte hoch und ihr war ein wenig schwindelig. Wäre es vielleicht eine gute Idee, ihre Beziehung doch publik zu machen? Sie kam langsam auf ihn zu und genoss es, seinen Blick auf ihren wiegenden Hüften zu spüren. Hm, schon besser.
Reden und lachen war ja gut und schön, aber zu einer Beziehung gehörte definitiv mehr.
Gerade als sie die Arme ausstrecken und ihm um den Hals
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