Sueß, naiv und intrigant
silberblondes Haar war zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, der fröhlich hüpfte, als sie die Tür der Limousine öffnete und die vier Mädchen auf den Lehmweg stolperten. Jenny streckte sich. Die Mietwagen waren schon ein Luxus, für vier im Fond aber doch ein bisschen eng.
Tief atmete sie die frische Luft ein, die nach Herbstfeuer und Kürbiskuchen roch. Die Sonne war gerade untergegangen, und Gruppen von Partyhungrigen scharten sich um etwas, was wohl Bierfässer sein mussten, oder breiteten Decken auf dem struppigen gelben Gras aus. Jenny klopfte sich das Haar zurecht, sie hatte ein paar lockere Zöpfe in ihre Locken geflochten.
Vorsichtig entfernte sie sich vom Auto. An der Reaktion ihrer Beine versuchte sie einzuschätzen, wie betrunken sie war. Die Stiefel, die sie trug, waren zusammen mit dem Pullover gekommen und ein Geschenk von Vanessa, der Freundin ihres Bruders, die in Jennys altem Zimmer wohnte, solange sie an der Universität von New York studierte. Auf dem Kärtchen in dem Paket hieß es, dass sie aus dem Armeebedarf-Laden in Brooklyn stammten, und exakt so sahen sie aus. Es waren Schnürstiefel in dunklem Olivgrün, die mit diversen militärisch wirkenden Aufklebern gepflastert waren. Total funkig und abgefahren. Vanessa war wohl der Ansicht, dass Jenny in ihrem Internat genau so etwas brauchte, um nicht vollends nach J.Crew auszusehen. Das Beste an den Stiefeln waren die fast zehn Zentimeter dicken Profilsohlen. Jenny kam sich darin fast groß vor. Zumindest nicht so mickrig.
Benny stieß sie in den Rücken. »Das Bier muss da drüben sein.« Sie deutete auf die Menge, die sich neben der malerischen Scheune versammelt hatte. Jenny hatte inzwischen allerdings entschieden, dass sie schon ein bisschen beschwipst war. Sie zockelte den anderen drei langsam hinterher und sah sich erst mal um. Die Scheune stand vor einer großen Lichtung und der Schwarz-Weiß-Film flimmerte bereits über die verwitterte Scheunenwand. Der Effekt war ziemlich cool. Jenny war zwar noch nie in einem Autokino gewesen, aber das hier war vermutlich viel besser. Sie entdeckte Alan St. Girard und Alison, die es sich auf einem der vielen Strohballen im Gras bequem gemacht hatten. Alison hatte die Beine über Alans Schoß gelegt und er steckte ihr einen Strohhalm hinters Ohr. Unerwartet fühlte Jenny einen Anflug von Eifersucht. Sie wollte auch jemanden haben, der sie so ansah und mit Strohhalmen kitzelte.
Sie ließ den Blick über die Riesen in der Menge gleiten. Zu ihrer Überraschung hielt sie nicht nach Easy, sondern nach Julian Ausschau.
»Sagt mal was für die Kamera, Ladys!« Aus dem Nichts tauchte Ryan Reynolds auf, der eine flache silberne Digicam, nicht größer als eine Geldbörse, vors Gesicht gedrückt hielt.
Sage spitzte ihre heftig geglossten Lippen und posierte vor der Videokamera. Doch Benny packte sie gleich am Handgelenk und zog sie Richtung der immer größer werdenden Fass-Gemeinde. »Das Wichtigste zuerst, Dummchen. Erst Bier holen, dann flirten gehen.« Enttäuscht mischte sich Ryan unter die Menge. Jenny fühlte sich nicht besonders wohl in ihrer Haut. Es war zwar nett, dass Benny, Sage und Callie sie in ihren kleinen Kreis aufnahmen, und natürlich war es schön zu spüren, wie jeder sie beobachtete, als seien sie vier ganz besondere Mädchen, ja, als sei sie selbst etwas Besonderes – aber wo steckte eigentlich Brett? Sie brauchte eine Person, mit der man mal ein vernünftiges Wort wechseln konnte.
Ein weiteres schnittiges schwarzes Auto fuhr auf dem Feldweg vor und wirbelte riesige Staubwolken auf. Zu ihrer Erleichterung sah Jenny, dass Kara, Brett und Heath ausstiegen. Sie kicherten wie Schulmädchen. Heath trug eine blonde Perücke (hatten die anderen ihr nicht erzählt, dass er so ein Teil kürzlich schon einmal getragen hatte?), legte beiden Mädchen die Arme um die Schultern und flüsterte Brett etwas ins Ohr, sodass sie ihr rotes Haar zurückwarf und vor Lachen kreischte.
»Hört mal, wer von euch findet es noch so abartig, dass sich Heath und Brett zusammentun?«, wollte Benny wissen und knöpfte ihre schwarze Reitjacke aus Samt auf. »Ich dachte, sie verabscheut ihn.«
Jenny sah, wie Callie die Augen verdrehte und auf dem unebenen Boden ins Taumeln geriet. Rasch fing sie sich wieder und tat so, als sei nichts passiert. »Tja... ich glaube nicht, dass es Heath ist, mit dem sie sich zusammentut, wenn ihr wisst, was ich meine.«
Benny und Sage wechselten Blicke und Jenny wandte sich
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