Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
reden?«
Sie schien überrascht. »Natürlich.«
»Sie sollten sich von Aidan York fernhalten, wenn Sie sich einen Mann wünschen, der Sie anbetet. Doch klug, wie Sie sind, werden Sie das bereits selbst erkannt haben.«
Er bemerkte, wie ihr Blick zu Aidan wanderte. Der lehnte gelangweilt an einer breiten Säule.
»Ich weiß«, flüsterte sie. »Es ist nur so, dass ich einsam bin, und das schon eine lange Zeit.« Als sie wieder zu Jude sah, nahm ihr Gesicht einen Ausdruck zarten Kummers an. »Verstehen Sie das nicht, Mr Bertrand?« Sie berührte seine Hand und wollte sie halten, doch Jude zog sie behutsam weg.
»Verzeihung«, flüsterte sie, und Tränen stiegen ihr in die Augen.
Jude entging nicht, dass sie dunkle Schatten unter den Augen hatte und sehr blass war, und prompt war er weniger verärgert. »Wenn Sie sich einen Mann wünschen, der Sie so ansieht, dann suchen Sie nach Liebe, Patience, nicht nach jemandem in Ihrem Bett.«
»Natürlich.« Sie senkte den Kopf.
»Sagen Sie mir bitte, dass Sie nicht in Aidan verliebt sind.«
»Nein, nicht in ihn.«
Judes Nackenhaare stellten sich warnend auf. »Sie meinen doch nicht …«
»Lieben Sie sie?«, fiel sie ihm ins Wort. »Miss York? Sie scheint mir sehr jung.«
»Sie ist eine außergewöhnliche Frau, und sie wird meine Gemahlin. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.«
»Ja, ich bitte um Verzeihung. Und ich meine es ehrlich. Sie sind ein netter Mann.«
Er stand auf, als sie sich erhob und ruhig wegging, trotz der Tränen in ihren Augen. Gütiger Gott. Glaubte sie, dass sie in ihn verliebt war? Das war undenkbar. Ja, sie hatte schon in London seine Gesellschaft gesucht, doch er hatte nie eine Sekunde mit ihr allein verbracht.
Ihre Einsamkeit tat ihm leid, und Jude blickte ihr nach, als sie zur Tür am anderen Ende des Saals ging. Aus der Ferne wirkte sie so kühl und majestätisch wie immer. Aus der Nähe jedoch hatte sie trauriger denn je ausgesehen.
Die meisten Angehörigen der gehobenen Gesellschaftsschicht würden nicht glauben, dass eine Schönheit wie Patience Wellingsly einsam sein könnte. Jude hingegen ließ sich nicht von Äußerlichkeiten täuschen. Das Gewerbe seiner Mutter lebte fast ausschließlich von unvergleichlich schönen Frauen, die nie wirklich geliebt worden waren.
Zu einer anderen Zeit und mit einer anderen Familie hätte sogar Marissa leicht eine jener Frauen sein können, durch ihre eigene entzückende Wildheit in Schande geraten.
Die Melodie, die den Saal erfüllt hatte, verklang, und Jude sah zu den Tänzern. Marissa verließ die Tanzfläche am Arm eines weiteren hübschen jungen Burschen.
Sie lächelte den Jungen an, wobei sie beide Hände um seinen Arm gelegt hatte. Als sie jedoch zu Jude blickte, wich ihr Lächeln einem wütenden Funkeln.
Marissa war verärgert, und dafür konnte es nur einen Grund geben: Sie hatte gesehen, wie er mit Patience sprach.
Gut. Wenn er zuschauen musste, wie sie mit Tausenden junger Herren tanzte und schäkerte, durfte sie sich auch der Tatsache stellen, dass er ebenfalls nicht gänzlich unbegehrt war.
Während der letzten zwei Wochen war er nicht eifersüchtig gewesen, weder wenn sie tanzte, noch wenn sie Männerbeine anstarrte, als handelte es sich um eigens für sie geröstete Hammelkeulen. Er war nicht eifersüchtig gewesen, weil er gewusst hatte, dass er es mit der Zeit schaffen könnte, Marissa den Kopf zu verdrehen, wie sie es nie erwartet hätte. Er wollte sie bis an den Rand des Wahnsinns treiben, ihre natürliche Sinnlichkeit wecken, bis sie an niemand anderen als an ihn dachte. Er wollte ihr beweisen, dass es spaßig sein konnte, hübsche Jünglinge zu betrachten, man den Liebesakt jedoch besser Männern überließ.
Aber jetzt … jetzt rann ihm die Zeit davon. Er hatte seine Verführung beschleunigt; Marissa wies ihn ab, und er hatte keine Ahnung, wie er weiter verfahren sollte.
Verflucht noch eins. Ihm blieb nichts anderes übrig, als zu tanzen.
Er hatte zugesehen, wie Marissa hoch erhobenen Hauptes durch die Menge modischer Leute schlenderte, und gewusst, dass er tanzen müsste. Jedes Zusammensein fand fortan zu ihren Bedingungen statt, nicht zu seinen. Und er weigerte sich, die winzige Chance aufzugeben, ihre falsche Verlobung in einer echten Hochzeit gipfeln zu lassen.
Marissa näherte sich ihrem Bruder und nahm ihm das Brandy-Glas aus der Hand. Nachdem sie Jude einen flüchtigen Blick zugeworfen hatte, eilte sie davon.
O ja, sie war wütend. Und das freute Jude ungemein,
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